SchnüffelsoftwareSchweiz tauscht Know-how über Trojaner aus
Die Ermittler des Bundes engagieren sich in einer internationalen Arbeitsgruppe zu Staatstrojanern. Die Politiker haben jedoch rechtliche Bedenken über Einsatz.

Die Schweiz tauschte sich jahrelang international über die Arbeit mit Staatstrojanern aus: Quellcode des deutschen Bundestrojaners namens Ozapftis.
Die Schweiz hat sich in einem Gremium engagiert, in dem praktische Erfahrungen mit sogenannten Staatstrojanern ausgetauscht werden. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) bestätigt auf Anfrage von 20 Minuten Online, dass IT-Ermittler der Bundeskriminalpolizei seit Beginn 2008 an den regelmässigen Treffen der sogenannten Remote Forensic Software User Group (RFS User Group) teilgenommen haben. Bei diesen Treffen ging es laut Fedpol um den Austausch von polizeitaktischen und technischen Erfahrungen mit den umstrittenen Staatstrojanern. «Es ging darum, mit Know-how-Transfer, Erfahrungsberichten und ‹Best Practices› den Einsatz solcher Software zu optimieren und Risiken zu minimieren», schreibt das Fedpol. Kontakte im Zusammenhang mit konkreten Ermittlungen oder gemeinsame Aktionen habe es keine gegeben.
Im September 2008 fand das erste der vom deutschen Bundeskriminalamt (BKA) initiierten Treffen statt, an dem neben dem BKA und Schweizer Vertretern auch Sicherheitsbehörden aus den Niederlanden, aus Bayern und einmalig auch aus Baden-Württemberg teilnahmen. Damals hiess die Gruppe noch DigiTask User Group, benannt nach der deutschen Herstellerfirma von Staatstrojanern, welche auch von Schweizer Ermittlern eingesetzt wurden. Später stiessen auch Vertreter Belgiens zum Kreis der Ermittler.
Die Schweiz nahm insgesamt fünf Mal teil. Ob die Bundeskriminalpolizei am nächsten Treffen im Januar anwesend sein wird, ist laut Fedpol noch nicht entschieden. Bekannt wurde die internationale Arbeitsgruppe durch eine Anfrage des deutschen Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko von Ende Oktober, über die am 2. November Telepolis berichtete.
Thema bei Ministertreffen
Der internationale Austausch über Software zum Eindringen in fremde Computer war kürzlich selbst auf Ministerebene ein Thema. Bei ihrem Besuch in Berlin Ende Oktober unterhielt sich Justizministerin Simonetta Sommaruga mit dem deutschen Innenminister Hans-Peter Friedrich über den Einsatz von Staatstrojanern. Vor den Medien schloss die Bundesrätin eine Zusammenarbeit mit Deutschland bei der Weiterentwicklung nicht aus, wie die Nachrichtenagentur SDA schreibt. Konkret sei darüber aber nicht gesprochen wurden. Dies war aufgrund der nun bekannt gewordenen Informationen auch nicht nötig, kooperierten die Ermittler doch bereits seit über drei Jahren.
Unter Juristen ist umstritten, ob der Einsatz von Staatstrojanern zur Überwachung von verschlüsselter Internetkommunikation in der Schweiz überhaupt zulässig ist. Zwar griff auch die Bundesanwaltschaft bisher viermal zu diesem Mittel, da sie es als rechtmässig betrachtet. Doch der Bundesrat selbst ist sich dessen nicht so sicher. Er arbeitet an einer Anpassung der Strafprozessordnung, die Trojaner zu Ermittlungszwecken explizit erlauben soll. Die entsprechende Botschaft will die Regierung noch dieses Jahr zuhanden des Parlaments verabschieden.
Nationalräte verlangen Auskunft
Bereits ein Thema bei Parlamentariern war der Staatstrojaner letzte Woche, als Vertreter der Bundesanwaltschaft, der Bundeskriminalpolizei sowie des Justizdepartements der nationalrätlichen Rechtskommission Auskunft gaben. Die Zweifel der Nationalräte blieben. Sie verlangten Auskunft über die Rechtmässigkeit und den Umfang der bisherigen Trojaner-Einsätze, wobei auch die Situation bei den Nachrichtendiensten und in den Kantonen berücksichtigt werden soll. Zwei entsprechenden Postulaten stimmten sie praktisch einstimmig zu.
Staatstrojaner
Der Begriff Staatstrojaner oder Bundestrojaner bezeichnet eine Spionage-Software, die staatliche Behörden auf Computern von Verdächtigen installieren. Technisch funktioniert das Programm analog zu einem Trojaner, welcher mit krimineller Absicht installiert wird, um Zugriff auf einen fremden Computer zu erlangen. Je nach Aufbau kann ein solches Programm die auf dem Rechner gespeicherten Daten lesen, auf Mikrofon oder Webcam des Computers zugreifen, die Tastatureingabe protokollieren oder verschlüsselt übertragene Sprach- und E-Mail-Kommunikation überwachen. Die Installation einer solchen Spionage-Software muss heimlich und unter Umgehung allfälliger Antiviren-Software geschehen. (mdr)