«Ich torkelte wie ein Betrunkener»

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Borreliose«Ich torkelte wie ein Betrunkener»

Was passiert eigentlich, wenn tatsächlich Borreliose nach einem Zeckenbiss ausbricht? Zwei Betroffene erzählen ihre Leidensgeschichte.

Adrian Müller
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Adrian Müller

Die Zecken fielen fast unbemerkt über ihr Opfer her: Der leidenschaftliche Pilzsammler Bernhard Schweizer aus Bolligen BE streifte wie schon viele Male zuvor durch den Wald. Doch anstatt mit Pfifferlingen und Champignons kam er im Herbst 2000 mit mehreren Zeckenstichen nach Hause: «Ich bagatellisierte die Stiche – ich kratzte die lästigen Viecher einfach weg. Für mich hatte sich die Sache damit erledigt.» Etwa drei Wochen später bemerkte der pensionierte Lehrer plötzlich Lähmungserscheinungen: «Der linke Fuss gehorchte nicht mehr. Ich torkelte wie ein Betrunkener herum», erklärt Schweizer im Gespräch mit 20 Minuten Online.

Unters Messer wegen Fehldiagnose

Solche Lähmungserscheinungen treten bei Borreliose auf, einer Krankheit, die von Zecken übertragen wird. Die Symptome reichen von Ausschlägen, Schwindel, Muskelschmerzen bis zu den beschriebenen Lähmungen. Pro Jahr infizieren sich etwa 4000 Menschen, Tendenz steigend.

Für die Ärzte ist es schwierig, die Infektion von anderen Krankheiten abzugrenzen. So auch beim unserem Pilzesammler: «Der Hausarzt schickte mich zum Spezialisten, welcher mich röntgte und ein MRI vornahm. Dort stellten die Fachärzte ein Bandscheibenproblem fest. Sie dachten, deswegen funktioniere der Bewegungsablauf in meinem Fuss nicht mehr richtig – und wollten operieren.» Doch dank eines aufmerksamen Neurochirurgen wurde Schweizer noch zu einer Blutuntersuchung geschickt. Dort diagnostizierten die Ärzte Borreliose. Mit Antibiotika und einer Bewegungs-Therapie versuchte man, die Fussbewegungen wieder zu stabilisieren. Doch auch heute, 8 Jahre nach der Infektion, leidet Schweizer unter den Folgen des Zeckenbisses: «Der Fuss rollt nicht gut ab, der Bewegungsrythmus stimmt einfach nicht mehr.» Trotz der Beschwerden zieht Schweizer auch heute noch durch die Wälder: «Ich bin aber vorsichtiger geworden – und trage immer lange Hosen», warnt er.

«Gehen Sie doch ins Altersheim»

Abgesehen von der geringfügigen Behinderung hat der Zeckenbiss für Schweizer keine Folgen gehabt. Doch Borreliose kann aus lebenslustigen Menschen Invalide machen. So auch Felizitas, die ihr Schicksal im Internet niedergeschrieben hat. Seit 13 Jahren leidet die 24-jährige an den Folgen eines verhängnisvollen Zeckenbisses. Seit 13 Jahren hat sie jeden Tag Kopfschmerzen. Seit 13 Jahren wird sie von einem Arzt an den nächsten verwiesen.

Hirnhautentzündung lautete zunächst die Diagnose. Doch die Zeckenbisse hatten auch eine Borreliose mit regelmässigen Infektionsschüben zur Folge. Neben Fieberanfällen plagten Felizitas Bauch- und Gelenkschmerzen. Trotz verschiedenster Therapien verschwanden die Qualen nicht. Schliesslich musste sie das Gymnasium abbrechen. «Gehen Sie doch ins Altersheim - sie haben Altersbeschwerden», war alles, was ein Arzt seinerzeit zu Felizitas sagte.

Borreliose

Lyme-Borreliose ist die häufigste von Zecken übertragene Krankheit. Daneben sind die Zecken Überträger von weiteren Krankheiten, unter anderem der Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME).

Das Krankheitsbild der Lyme-Borreliose zeigt sich facettenreich. Die Symptome reichen von Hautausschlägen, Schwindel, Muskel- und Gelenkschmerzen bis hin zu Lähmungen. In späteren Stadien äussert sich die Krankheit oft in unspezifischen Symptomen wie starken Schmerzen, chronischer Müdigkeit, Lichtempfindlichkeit, Ohrgeräuschen und Depressionen. Lyme-Borreliose ist im Frühstadium gut behandelbar, obwohl selbst dann chronische Verläufe möglich sind. In späteren Stadien wird die Behandlung bedeutend schwieriger.

Der Krankheitsverlauf ist sehr unterschiedlich. Es gibt Menschen, die nicht erkranken und solche, die mit zum Teil schweren körperlichen und psychischen Behinderungen konfrontiert sind. Wie ein Mensch reagiert, lässt sich nicht vorhersagen. Impfstoffe sind zur Zeit ausschliesslich für die FSME-Viruserkrankung erhältlich. (Quelle: www.borreliose.ch)

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