Katastrophe in SierreDie Chronologie der Tragödie
Weshalb wurde das Ausmass des Busunglücks erst gestern Morgen bekannt? Was genau passierte während der Nacht? Die Abfolge der Ereignisse im Überblick.
Bei Katastrophen wie in Sierre geht alles drunter und drüber. Vor lauter sich überschlagender Meldungen verliert man leicht den Überblick. Wir helfen deshalb mit einer Chronologie.
21.30 Uhr: Ein Car der belgischen Top Tours, der zwei Schulklassen aus Flandern von den Skiferien in Val d'Anniviers nach Hause bringt, prallt im Autobahntunnel von Sierre frontal in eine Rettungsnische. Die beiden Fahrer, 4 Betreuer und 22 Kinder sterben, 24 Kinder werden verletzt. Zwei andere Cars mit belgischen Schulklassen bemerken den Unfall nicht und fahren weiter nach Belgien.
22.00 Uhr: Bald sind die ersten Rettungskräfte vor Ort. Sanität, die Feuerwehr von Sierre und aus Nachbargemeinden, bestehend vor allem aus Freiwilligen, kämpfen sich zum Bus vor und transportieren die Verletzten ab, später auch die Leichen. Vor dem Tunnel warten Rettungswagen und Helikopter. Sie fliegen eine Person ins Unispital Lausanne, zwei ins Berner Inselspital; ein weiteres Kind stirbt in der Luft. Die leichtverletzten Kinder werden in lokalen Spitälern untergebracht und von Care-Teams betreut.
Gegen Mitternacht: Zum Redaktionsschluss tappen die Zeitungen noch etwas im Dunkeln. Um die Angehörigen der Opfer informieren zu können, bevor die Medien über die Katastrophe berichten, informiert die Polizei spärlich. 20 Minuten berichtet am folgenden Morgen von einem Busunglück mit mehreren Verletzten, Meldungen von Toten kommen nur von Leser-Reportern.
Nacht: Die Hubschrauber fliegen bis halb eins. Um ein Uhr wird das Wrack des Lasters abgeschleppt. Räumungs- und Rettungsarbeiten laufen aber noch bis tief in die Nacht und dauern bis rund 6 Uhr früh. Insgesamt sind 12 Krankenwagen, 8 Rettungshelikopter und über 200 Sanitäter, Ärzte, Polizisten und Feuerwehrleute im Einsatz. Währenddessen verständigen die Walliser Rettungskräfte die Schulen und Behörden in Belgien über die Katastrophe.
5.30: Die Walliser Polizei informiert an einer Pressekonferenz über das Ausmass des Unglücks. Über die Ursache des Unfalls gibt es noch keine Mutmassungen. Auf der Strecke sind 100 km/h erlaubt. Meldungen, denen zufolge der Car zu schnell unterwegs gewesen sei, bestätigt die Polizei nicht.
Früher Morgen: In Belgien hat sich bereits ein Krisenstab gebildet, Premierminister Elio Di Rupo plant den Flug nach Sitten. Damit die Angehörigen der Opfer möglichst schnell ins Wallis reisen können, macht die belgische Luftwaffe zwei Transportflugzeuge startklar. Es wird zudem bekannt, dass einige der Kinder aus den Niederlanden stammten.
8.40: Im Parlament erheben sich die Räte zu einer Schweigeminute. Nationalratspräsident Hans-Jörg Walther spricht den Angehörigen sein Beileid aus. Der Bundesrat meldet sich erst im Verlauf des Vormittags.
Vormittag: Die Medien berichten laufend über das Unglück. Die Polizei beraumt eine Pressekonferenz für 15 Uhr ein, die auf 17.30 Uhr verschoben wird. Im Dorf Lommel, woher die Klassen kommen, versammeln sich die Eltern der Kinder in den Schulen. Sie wissen teilweise noch nicht, ob ihre Kinder überlebt haben. Am späten Vormittag treffen die beiden unversehrten Cars in Belgien ein.
Nachmittag: Die Polizei organisiert die Ankunft der belgischen Angehörigen, die am späten Nachmittag in Genf landen und dann mit Bussen nach Sion gebracht werden sollen. Zwar hat auch Sion einen Flugplatz, der Pistenanflug gilt jedoch als einer der schwierigsten der Welt.
17.40: Pressekonferenz im Polizeipräsidium Sion. Anwesend sind Bundespräsidentin Evelyn Widmer-Schlumpf, der belgische Premier Elio Di Rupo sowie die Botschafter von Belgien und den Niederlanden. Der Untersuchungsrichter gibt erste Ergebnisse bekannt. Es seien keine anderen Fahrzeuge involviert gewesen und der Chauffeur sei nicht zu schnell gefahren. Eine Autopsie des Fahrers wird angeordnet.
Abend: Gedenken an die Opfer in der Schweiz und in Belgien: Am Lac de Géronde in Sierre findet spontan ein «Marche blanche» statt. Rund 200 Personen trauern schweigend. Sie legen Blumen und Kerzen nieder. In der Kathedrale des flämischen Leuven findet ein Gedenkgottesdienst statt. Der Erzbischof von Mechelen-Brüssel und weitere Würdenträger sprechen den Angehörigen ihr Beileid aus und Mut zu.
Früher Morgen: Das Gesundheitsministerium in Brüssel teilte in der Nacht mit, dass alle 24 verletzten Kinder nun identifiziert sind. Die Walliser Polizei bestätigt gegenüber 20 Minuten Online, dass einige Eltern ihre verstorbenen Kinder nun sehen. Die Rückführung der Leichen soll bereits heute stattfinden. Einige verletzte Kinder können aus dem Spital entlassen werden.
09.35: Die belgische Regierung ruft die offizielle Staatstrauer aus. (job/dwi/sda)