BundesratssitzungSchweiz sperrt Ben-Ali-Konten
Der Bundesrat hat beschlossen, allfällige Gelder des ehemaligen tunesischen Präsidenten Ben Ali zu sperren. Ebenso Mittel des abgewählten Präsidenten der Elfenbeinküste.

Johann Schneider-Ammann und Michline Calmy-Rey informierten die Bundeshausmedien in Bern.
Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey erklärte an einer Medienkonferenz in Bern, dass allfällige Mittel des tunesischen Ex-Präsidenten Zine al-Abidine Ben Ali und seines Umfeldes - rund 40 Personen - in der Schweiz mit sofortiger Wirkung gesperrt werden. Der Bundesrat wolle jegliches Risiko einer Veruntreuung von staatlichem Eigentum vermeiden, sagte Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey am Mittwoch vor den Medien.
Laut Calmy-Rey gibt es Hinweise darauf, dass in der Schweiz Gelder aus dem Umfeld des tunesischen Ex-Präsidenten angelegt sind. Keine Hinweise gebe es darauf, dass in den letzten Tagen tunesische Gelder abgehoben worden seien, sagte die Aussenministerin auf die Frage, ob die Massnahme nicht zu spät komme.
Es sei «sehr unwahrscheinlich», dass es dazu gekommen sei. Der Bundesrat hätte davon erfahren, da die Finanzbranche solche Fälle melden müsse.
Unsichere Entwicklung
Personen aus dem Umfeld des tunesischen Ex-Präsidenten ist nicht nur der Zugriff auf Gelder verwehrt. Ihnen ist gemäss dem Bundesratsentscheid auch verboten, Immobilien zu verkaufen. Solche Massnahmen kann der Bundesrat auf Basis von Notrecht verfügen.
Was die weitere Entwicklung in Tunesien betrifft, sagte Calmy-Rey, es sei zu früh, um diese zu beurteilen. Die Situation sei unsicher. Der Bundesrat hoffe auf eine demokratische Regierung, welche die Minderheiten und die Meinungsäusserungsfreiheit respektiere.
In den Wahlen unterlegen
Zur Elfenbeinküste sagte Calmy-Rey, die politische Lage bleibe gespannt. Es gebe weiterhin zwei Regierungen, jene unter Präsident Laurent Gbagbo, die de facto über die Macht im Land verfügt, sowie jene unter Präsident Alassane Quattara, die international weitgehend anerkannt sei.
Auch die Schweiz habe den Wahlsieg von Ouattara anerkannt. Der Schweizer Finanzplatz solle nicht als Hort für möglicherweise illegal erworbene Vermögenswerte Gbagbos dienen.
Im Einklang mit der EU
Der Bundesrat vereist auf die Massnahmen anderer Länder: Die EU hatte beschlossen, die Vermögenswerte von Gbagbo und seinem Umfeld einzufrieren, und auch die USA blockierten gewisse Vermögen.
Die Verordnungen zu Tunesien und der Elfenbeinküste traten bereits am Mittwoch in Kraft. Sie gelten drei Jahre lang. Die Behörden der betroffenen Länder haben nun die Möglichkeit, ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz zu richten.
Forderung erfüllt
Der Bundesrat war in den vergangenen Tagen von verschiedener Seite aufgefordert worden, Gelder des tunesischen Ex-Präsidenten zu blockieren. Am Samstag hatte die Vereinigung der Tunesierinnen und Tunesier in der Schweiz ihn in einem Brief zu diesem Schritt aufgefordert.
Am Montag sprach sich die aussenpolitische Kommission des Ständerats (APK) dafür aus. Weiter hat ein Anwalt bei der Bundesanwaltschaft eine Strafanzeige mit der Forderung nach dringenden Massnahmen eingereicht.
Neues Gesetz
Der Bundesrat wolle nicht, dass Potentatengelder auf Schweizer Konten lagerten, hielt Calmy-Rey fest. Die Schweiz sei führend auf diesem Gebiet, betonte sie und verwies auf ein neues Gesetz, das am 1. Februar in Kraft tritt.
Damit kann die Schweiz Gelder ehemaliger Diktatoren leichter an die betrogene Bevölkerung zurückerstatten. Heute müssen betroffene Länder ein Rechtshilfegesuch stellen, was bei Ländern mit schwachen staatlichen Strukturen aber oft nicht funktioniert.
Künftig entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Einziehung gesperrter Gelder, wenn das Rechtshilfegesuch eines Staates zu keinem Ergebnis führt.
Entscheid begrüsst
Die Erklärung von Bern, die SP und Exil-Tunesier in Bern haben den Entscheid des Bundesrats positiv aufgenommen. Das sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagte ein Teilnehmer einer Platzkundgebung in Bern.
Rund 50 Tunesier hatten sich am Nachmittag zu einer Solidaritätsdemo versammelt. Sie folgten einem Aufruf mehrerer Organisationen, darunter des «Schweizer Unterstützungskomitees für das tunesische Volk» (CSPT). Die Kundgebung richte sich gegen die Übergangsregierung in Tunis, die noch stark von Mitgliedern des alten Regimes geprägt sei. Nun müssten neue Leute an die Macht, forderten die Demonstranten. Westlichen Banken, namentlich der HSBC, werfen sie vor, Vermögenswerte des gestürzten Machthabers Ben Ali zu horten. Der rechtmässige Besitzer des Geldes sei das tunesische Volk.
Die SP ist mehr als zufrieden mit dem Entscheid des Bundesrats. Sie habe die Blockierung der Gelder gefordert, und nun habe der Bundesrat ein starkes Signal ausgesandt, sagte Sprecher Jean-Yves Gentil zur SDA. Die Behörden garantierten damit dem tunesischen Volk, dass das Geld so lange blockiert bleibt, bis dessen rechtmässige Besitzer festgestellt werden. Ausserdem zeige die Regierung den Potentaten der Welt, dass ihr Geld in der Schweiz nicht mehr willkommen sei.
Ob aber der ehemalige tunesische Machthaber Ben Ali und der ivoirische Machthaber Gbagbo überhaupt Konten in der Schweiz haben, ist nicht sicher. Olivier Longchamp von der Erklärung von Bern (EvB) erklärte auf Anfrage, dass die EvB keine Anhaltspunkte dafür habe. Sollten jedoch Konten vorhanden sein, würde dies bedeuten, dass das Geldwäschereigesetz von den Schweizer Banken nicht befolgt werde, obwohl es seit 1998 in Kraft sei, sagte Longchamp.
Für die Schweizer Bankiervereinigung zeigt der bundesrätliche Erlass zur Sperrung allfälliger Gelder, dass das System in der Schweiz funktioniert, sagte Sprecherin Rebeca Garcia. Das Instrumentarium sei international führend.