Kommissionssitze verteiltBlocher soll bei Asyl und AHV aufräumen
In den Hinterzimmern des Bundeshauses wird gebrütet. Heute verteilen die Parteien ihre Sitze – nicht alle neuen Nationalräte hatten dabei so viel Erfolg wie SVP-Doyen Blocher.

Christoph Blocher (hier im Gespräch mit SVP-Fraktionschef Caspar Baader) soll die Standpunkte seiner Partei in zwei Kommissionen vertreten.
Toni Brunners Urteil ist klar: «Diese Entscheidungen gehören zu den umstrittensten der ganzen Legislatur.» Der SVP-Parteichef spricht hier nicht von Bundesratswahlen – sondern vom Wettstreit um die Sitze in den Parlaments-Kommissionen. Dort passieren die entscheidenden Weichenstellungen für die grossen Geschäfte. Zwar darf jedes Parlamentsmitglied, das einer Fraktion angehört, in Kommissionen mitarbeiten. Doch nicht alle Kommissionssitze sind gleich begehrt. Ganz zuoberst auf der Wunschliste steht bei vielen Politikern die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK). Dort sitzen auch zahlreiche Schwergewichte wie FDP-Präsident Fulvio Pelli oder CVP-Chef Christophe Darbellay.
Heute Dienstag vergeben die Fraktionen die Sitze an die bisherigen und neuen Mitglieder. Eine der spannendsten Personalien ist bereits geklärt: Rückkehrer Christoph Blocher verzichtet auf die WAK. Er geht stattdessen auf Wunsch der Parteispitze in die Staatspolitische Kommission (SPK) und jene für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK). Das bestätigt Toni Brunner gegenüber 20 Minuten Online. Als ehemaliger Justizminister könne Blocher in der SPK dazu beitragen, dass in der Asylpolitik «nicht alles aus dem Ruder laufe», sagt SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli. Doch für Parteipräsident Brunner ist Blochers Einsatz in der SGK ebenso wichtig: In dieser Legislatur müsse das Parlament Revisionen bei der AHV, der IV, den Pensionskassen und im Gesundheitswesen in Angriff nehmen und die Finanzierung sichern. «Da braucht es Blocher mit seinem Fleiss und seiner Dossierkenntnis.»
Patientenschützerin darf nicht in Gesundheitskommission
Trotz acht Jahren Absenz vom Nationalrat gilt Blocher bei der SVP natürlich nicht als Neuling. Als solcher hätte er Anspruch auf bloss einen Kommissionssitz – so ist es bei den meisten Parteien Usus. Zudem müssen die Frischgewählten bei der Verteilung der begehrtesten Plätze normalerweise hinten anstehen. Das erfährt in diesen Tagen die prominente Patientenschützerin Margrit Kessler. Es wäre naheliegend gewesen, dass sie die Grünliberale in der Gesundheitskommission vertreten würde. Doch Parteikollege Thomas Weibel mochte seinen SGK-Sitz nicht räumen. «Das ist nachvollziehbar, schliesslich hat er sich in den letzten vier Jahren gut in diese Themen eingearbeitet», sagt Kessler. Jetzt werde sie eben von ausserhalb der Kommission versuchen, auf die Gesundheits-Gesetzgebung Einfluss zu nehmen. Zuerst will Kessler den «gläsernen Patienten» verhindern: dass Ärzte den Krankenkassen die Diagnosen der Versicherten mitteilen müssen.
Auch SP-Jungspund Cédric Wermuth schaffte es nicht in seine Wunschkommission, die WAK. Er ist jedoch zufrieden, dass er mit der Finanzkommission immerhin seine zweite Wahl bekommen hat. Der Grüne Balthasar Glättli darf sich künftig mit Blocher in der Staatspolitischen Kommission duellieren. Das kommt dem Zürcher gelegen, weil er sich früher schon als Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation «Solidarité sans frontières» mit Migrationsthemen auseinandersetzte – und in der Wandelhalle für Flüchtlinge lobbyierte.
Ex-Lehrer Aebischer wird Bildungspolitiker
Der frühere Fernsehmann Matthias Aebischer (SP) kann ebenfalls bestens mit der Zuteilung durch die Fraktion leben: Er darf in die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK). Aebischer war vor seiner TV-Karriere Lehrer und hat seit zehn Jahren einen Lehrauftrag für Medien und Kommunikation an der Universität Freiburg. «Als Neuer muss man nehmen, was man kriegt», sagt Aebischer – und ist froh, dass der Kelch «Rechtskommission» an ihm vorbeigegangen ist. Das wäre ein «Horror» für ihn gewesen. Es mache ihm nichts aus, dass die WBK wenig im Fokus der Öffentlichkeit stehe. «Medienpräsenz hatte ich ja in letzter Zeit genug.» Jetzt möchte er sich vor allem durch Sachwissen profilieren.
Für die Profilierung ist die Kommissionsarbeit bestens geeignet. Journalisten wenden sich gerne an Kommissionsmitglieder, wenn sie auf der Suche nach Auskunftspersonen sind. Wer sich gut in die Kommissionsthemen einarbeitet, kann deshalb zu einem Sprachrohr seiner Partei werden – auch wenn er zuvor in diesem Bereich keine grossen Stricke zerrissen hat. SVP-Chef Brunner nennt das Beispiel Toni Bortoluzzi. Der Schreinermeister aus Affoltern am Albis hat sich in den letzten 16 Jahren zum Gesundheitsexperten der SVP hochgearbeitet.