«16 Tage gegen Gewalt an Frauen»Zuhause ist es am gefährlichsten
Frauen werden geschlagen, sexuell und wirtschaftlich ausgebeutet, gedemütigt, diskriminiert: Gewalt an Frauen hat viele Gesichter. Frauen haben jetzt eine Kampagne lanciert – mit dem Ziel, sich gegen Gewalt im Alltag zu wehren.
Mit zahlreichen Veranstaltungen wird ab kommendem Mittwoch in der Schweiz während 16 Tagen auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam gemacht. Der christliche Friedensdienst hat die Kampagne am Montag in Bern lanciert. Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf appellierte an alle, sich gegen Gewalt im Alltag zu wehren.
Die «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» finden in der Schweiz zum zweiten Mal statt. Zwischen 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, und dem Internationalen Menschenrechtstag am 10. Dezember soll an über 65 Veranstaltungen auf die verschiedenen Formen der Gewalt aufmerksam gemacht werden, wie Cecile Bühlmann, Geschäftsleiterin der feministischen Frauenorganisation christlicher Friedensdienst (cfd), vor den Medien erklärte.
Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf, die als zuständige Bundesrätin auftrat, bezeichnete die Gewalt an Mädchen und Frauen als das am meisten verbreitete Menschenrechtsproblem. Alle seien aufgefordert, sich dagegen zu wehren. Sie forderte zudem, die rechtlichen Bestimmungen – beispielsweise gegen die Gewalt in der Partnerschaft – durchzusetzen und auch die Prävention zu verstärken, so etwa an Schulen oder bei Migranten.
Orte extremer Gewalt
Der gefährlichste Ort für Frauen bleibt in der Schweiz das eigene Zuhause, wie Bühlmann sagte. Karin Haeberli, Sprecherin der Konferenz der Interventions- und Fachstellen gegen häusliche Gewalt, lieferte die Zahlen dazu: Laut einer Studie aus dem Jahr 2003 würden zwei von fünf Frauen in der Schweiz mindestens einmal in ihrem Erwachsenenleben Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt. Häusliche Gewalt gehe durch alle gesellschaftlichen Schichten, Nationalitäten und Alter. Besondere Anstrengungen sind laut Haeberli aber im Bereich der Migration gefordert, da die Gewalt in Ausländerfamilien unter anderem wegen soziökonomischer Probleme wie prekären Arbeitsbedingungen, Armut oder sozialer Isolation häufiger sei.
Einen Ansatzpunkt zur Entschärfung der Situation der Opfer sieht Haeberli darin, die Bindung des Aufenthaltsstatus an den Ehepartner für Gewaltbetroffene weiter zu lockern. Das soll verhindern, dass Migrantinnen vor die Wahl kommen, entweder bei einem gewalttätigen Mann zu bleiben oder mit einer Scheidung zu riskieren, das Aufenthaltsrecht und die Kinder zu verlieren.
Gleichstellungsfragen
Unia-Gewerkschaftssekretärin Corinne Schärer rückte mehr die «strukturelle Gewalt» in den Vordergrund, also die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern in der Gesellschaft. Von der gesetzlich vorgeschriebenen Lohngleichheit etwa sei man noch weit entfernt, sagte sie. Zudem drohten Frauen auch stärker von der aktuellen Wirtschaftskrise betroffen zu werden, weil beispielsweise Teilzeitarbeitsplätze besonders gefährdet seien.
Die Krise dürfe kein Vorwand sein, um Rückschritte bei der Gleichstellung hinzunehmen, sagte Schärer und forderte die Realisierung der Lohngleichheit, Investitionen in die Weiterbildung von Frauen und öffentliche Gelder «für eine faire Finanzierung der Kinderbetreuung». (dapd)