Tamil Tigers«Sie schauen, dass du nicht mehr schläfst»
Führende Köpfe der Tamil Tigers sind in der Schweiz festgenommen worden. Ein Insider ist überzeugt, dass sich dennoch nichts ändern wird.

Das Symbol der Tamil Tigers. In der Schweiz sind am 11. Januar zehn Mitglieder der Organisation verhaftet worden.
Weil sie von ihren Landsleuten Spenden erpresst haben sollen, wurden zehn in der Schweiz wohnende Tamilen am Dienstag verhaftet. Die Bundesanwaltschaft (BA) wirft ihnen vor, als Vertreter der Untergrundorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), gedroht, Urkunden gefälscht und Geld gewaschen zu haben. Die BA beantragt Untersuchungshaft für acht der zehn Verhafteten. Sie bestätigte einen Bericht von «Tages-Anzeiger» und «Der Bund» vom Donnerstag.
Unter den acht Personen, für die die BA einen Antrag auf Untersuchungshaft gestellt hat, ist der ehemalige Chef der LTTE. Dies bestätigte sein Anwalt Marcel Bosonnet. Sein Mandant werde am Freitag dem Haftrichter vorgeführt. Er bestreite, strafbare Handlungen begangen zu haben, bestätigte Bosonnet. Bis im März 2010 habe sein Mandant die LTTE Schweiz präsidiert.
Verdacht auf systematische Erpressung
Während auf Sri Lanka der Bürgerkrieg tobte, sollen fast alle der rund 40 000 Tamilen in der Schweiz Geld für den bewaffneten Unabhängigkeitskrieg der Tamil Tigers gespendet haben. Umstritten ist, wie viel davon erpresst wurde. In der Schweiz sind bisher keine LTTE-Mitglieder verurteilt worden. Aus Angst vor den Tamil Tigers packte niemand aus. Seit die LTTE in der Heimat den Krieg verloren hat, scheinen aber erste Tamilen in der Schweiz zu reden. Dem «Tages-Anzeiger» liegen Informationen vor, wonach kürzlich mehrere bei der Bundesanwaltschaft belastende Aussagen machten. Ist die Macht der LTTE am bröckeln?
«Das Netzwerk der Tigers funktioniert weiter»
Ein Kenner der tamilischen Kultur in der Schweiz bezweifelt dies. Er sagt gegenüber 20 Minuten Online: «Das Netzwerk der Tigers besteht und funktioniert in der Schweiz weiter.» Die LTTE sei wie ein Krebsgeschwür. Wo der Kopf, und wer der Kopf der Organisation ist, sei fast nicht auszumachen. Bei den Tigers gebe es nicht einfach einen Anführer. «Werden die einen Köpfe erwischt, führen andere die Arbeit fort.» Vielleicht, so mutmasst der Mann, habe man am Dienstag die Falschen geschnappt.
Dass in der Schweiz Tamilen unter Druck gesetzt wurden und dies immer noch so ist, weiss der Kenner nicht nur aus unzähligen Gesprächen mit Tamilen, er ist immer wieder auch selber Opfer. «Sie halten dir nicht das Messer an den Hals, aber können einen Druck erzeugen, der fast nicht auszuhalten ist.» Er spricht von Telefonterror oder Klingelattacken. «Die Tigers machen dir den Alltag kaputt und sorgen dafür, dass du nicht mehr schlafen kannst.»
Viele Tamilen in der Schweiz sind verschuldet
Den Tamilen selber werde mit Repressalien gegen Familienangehörige, die in Sri Lanka wohnen, gedroht. Ein Tamile, der nicht genannt werden will, spricht gegenüber 20 Minuten Online gar von Folterungen. «Die meisten zerbrechen daran und zahlen irgendwann», so der Kenner. Laut der Bundesanwaltschaft drängte die LTTE in der Schweiz Landsleute dazu, Kredite in grosser Höhe aufzunehmen. Wie die Bundesanwaltschaft nun aufgedeckt hat, wurden sie Dank gefälschten Lohnausweisen kreditwürdig. Der Tamile bestätigt: «Viele meiner Landsleute, die von den Tigers gezwungen wurden, Kreditverträge abzuschliessen, sind hochverschuldet.» 800 bis 900 Franken pro Monat müssten sie den Banken zurückzahlen; dies bei einem Einkommen von 3000 bis 4000 Franken.
Laut verschiedenen Quellen soll die LTTE in der Schweiz hunderte tamilische Firmen, Restaurants, Verbände, Vereine, oder Kulturangebote kontrollieren. Gar an Schulen und in Tempeln sollen sie im Hintergrund die Fäden ziehen. Dadurch hätten sie eine extreme Macht.
«Die junge Generation ist fast noch schlimmer»
Das Ziel des Netzwerkes sei immer Geld zu sammeln. Der Tamile behauptet, dass davon nicht alles nach Sri Lanka gehe. «Ich glaube, dass sie einen Teil des erpressten Geldes für sich behalten.» Er wisse von LTTE-Leuten, die im Luxus leben.
Dass der Druck der Tigers künftig abnehmen wird, daran glauben weder der Kenner der Szene noch der Tamile. Im Gegenteil: Die Generation, die nie im Heimatland gewesen sei, sei fast noch fundamentalistischer als die alte Garde.