Gefährliche Zebrastreifen5 Tote in drei Wochen - «Politik soll handeln»
Die Polizei reagiert auf die zahlreichen Zebrastreifen-Unfälle mit mehr Kontrollen und Bussen. Die Politiker streiten sich darüber, ob diese Bussengelder für sichere Zebrastreifen eingesetzt werden sollen.
- von
- Jessica Pfister
Die Unfallserie auf Zebrastreifen will nicht abreissen. Allein am vergangenen Wochenende starben in der Schweiz zwei Personen nach Fussgängerunfällen auf oder gleich neben dem Fussgängerstreifen - drei weitere wurden schwer verletzt. Seit Anfang Dezember sind nun über 35 Menschen auf Zebrastreifen angefahren worden. Traurige Bilanz: 5 Tote und zahlreiche Verletzte. Damit ist die Zahl der Todesopfer höher als in vergleichbaren Wintermonaten. Ein kürzlich erstellter Vergleich der Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu, der 20 Minuten Online vorliegt, zeigt: Von 2000 bis 2010 ist in den Monaten Dezember, Januar und Februar eine Person pro Woche nach Unfällen auf dem Zebrastreifen ums Leben gekommen.
Nachdem die Kantonspolizei Bern bereits im November mit vermehrten Kontrollen auf die Zunahme von Zebrastreifen-Unfällen reagiert hat, zog am Montag die Kantonspolizei Zürich nach. Sie will nicht nur die Autofahrer an Fussgängerstreifen vermehrt kontrollieren und allenfalls büssen, sondern auch die Unfallorte genau unter die Lupe nehmen und wo nötig die Beleuchtungsverhältnisse verbessern. «Allerdings ermahnen wir auch die Fussgänger, den Kopf im Verkehr mehr bei der Sache zu haben», sagt Verkehrspolizei-Chef Uely Zoelly.
«Polizei nimmt Entwicklung ernst»
Die Strassenopferstiftung Roadcross wertet die Bemühungen der Polizei als positives Signal. «Sie zeigen, dass die momentane Entwicklung von der Polizei ernst genommen wird», sagt Mediensprecher Silvan Granig. Gleichzeitig appelliert Roadcross an die Politik, die Fussgängersicherheit nicht länger links liegen zu lassen. «Es braucht dringend eine Aufrüstung, beziehungsweise Entschärfung gefährlicher Fussgängerstreifen.»
Eine Sanierung der 22 000 Fussgängerstreifen, die in der Schweiz nicht den Sicherheitsnormen entsprechen, hat SP-Nationalrat Matthias Aebischer ins Visier genommen. Voraussichtlich am Dienstag behandelt der Nationalrat im Rahmen des Verkehrssicherheitsprogramms Via Sicura seinen Antrag, alle gefährlichen Zebrastreifen bis 2018 zu sanieren. «Es kann doch nicht sein, dass zuerst Menschen sterben müssen, damit ein Fussgängerstreifen erneuert wird», sagt Aebischer. Für alle baulichen Massnahmen wie Mittelinseln oder Beleuchtungen rechnet der SP-Nationalrat mit 200 Millionen Franken - das Geld dafür sollen die Kantone aus dem Bussentopf schöpfen können.
Kantone sollen frei entscheiden
Diese Finanzierungsart passt CVP-Nationalrat Martin Candinas allerdings nicht. «Ich finde es gefährlich, Gelder plötzlich zweckgebunden für nur einen Bereich einzusetzen», sagt er. Die Verkehrssicherheit sei sicher wichtig, doch die Kantone sollen weiter frei über die Bussengelder verfügen können.
Die Nationalräte Markus Hutter (FDP), Ulrich Giezendanner (SVP) und Franzsika Teuscher (Grüne) schielen zwar auch auf den Bussentopf, wollen die Gelder jedoch nicht nur für Zebrastreifen einsetzen. «Der Fokus wäre einfach zu eng», sagt Teuscher. Sie und ihre zwei Kollegen der Verkehrskommission schlagen deshalb vor, ein Viertel des Bussengelds allgemein für die Verkehrssicherheit einzusetzen - dazu gehört die Infrastruktur der Zebrastreifen genauso, wie Polizeikontrollen oder Prävention. «Damit stellen wir sicher, dass auch nach der Sanierung der Zebrasstreifen Geld in die Verkehrssicherheit fliesst», so Teuscher.
Unterstützung erhält Aebischer hingegen von SVP-Nationalrat Walter Wobmann. «Bussengelder müssen gezielt eingesetzt werden und bei den Fussgängerstreifen ist der Handlungsbedarf am grössten», sagt er. Hier habe man im Gegensatz zu anderen Ländern verpasst, sich früher für die Verkehrssicherheit zu engagieren.
Paradebeispiel Holland
Rein an den Unfallzahlen gemessen, scheinen andere europäische Länder tatsächlich mehr in die Verkehrssicherheit investiert zu haben. Allen voran Holland. Während in der Schweiz über die letzten Jahre gerechnet auf eine Million Einwohner zehn Fussgänger pro Jahr getötet wurden, waren es in den Niederlanden bloss vier. Christine Steinmann, Projektleiterin Verkehrssicherheit beim Verkehrsclub der Schweiz (VCS), führt dies darauf zurück, dass in Holland die Verkehrssicherheit allgemein einen höheren Stellenwert hat als in der Schweiz. «Die ganze Gesellschaft in den Niederlanden stuft Verkehrssicherheit als wichtig ein.»
Für Thomas Schweizer, Geschäftsleiter Fussverkehr Schweiz haben die tieferen Unfallzahlen vor allem mit den Tempo-30-Zonen zu tun. «Gerade Holland hat die Zahl der Tempo-30-Zonen in den letzten Jahren stark erhöht.» Ausserdem setze sie auch auf Hauptachsen sogenannt vertikale Versätze ein. Damit sind Rampen und Schwellen auf Strassen gemeint, die für alle Verkehrsteilnehmenden ein spürbarer Hinweis sind, vorsichtig zu sein. In der Schweiz seien solche Verkehrsberuhigungselemente auf Hauptachsen bisher leider kein Thema. «Ich bin überzeugt, dass solche Massnahmen und vor allem Tempo 30 zwei von drei Unfällen auf Zebrastreifen verhindern können.»