VolksinitiativeDas steckt hinter der Todesstrafe-Initiative
Ab heute versucht ein Komitee, 100 000 Unterschriften für die Wiedereinführung der Todesstrafe zu sammeln. Hintergrund dürfte ein Verbrechen von 2009 in Kriens sein.
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Während in anderen Ländern über die Abschaffung der Todesstrafe diskutiert wird, lanciert ein Schweizer Komitee eine Initiative dafür.
Wie letzte Woche angekündigt, will eine Gruppe Bürger die Todesstrafe in der Schweiz wieder einführen. Ein siebenköpfiges Komitee hat dazu am Dienstag eine Volksinitiative gestartet. Die Sammelfrist für die 100 000 nötigen Unterschriften läuft bis am 24. Februar 2012.
Die Bundeskanzlei hat bei der Vorprüfung der Initiative keine formalen Hindernisse identifiziert, wie aus der am Dienstag im Bundesblatt veröffentlichten Bekanntmachung zur Vorprüfung hervorgeht. Damit kann das Komitee sofort mit der Unterschriftensammlung starten. Der Inhalt der Initiative wird erst nach dem Zustandekommen geprüft. Den Entscheid über die Gültigkeit des Volksbegehrens trifft das Parlament. Laut Bundesverfassung kann eine Volksinitiative nur ungültig erklärt werden, wenn sie gegen Einheit von Form und Materie oder gegen zwingendes Völkerrecht verstösst. Zwar verletzt die Todesstrafe an sich nicht zwingendes Völkerrecht, möglicherweise aber deren Wiedereinführung, wie der Berner Rechtsprofessor und Menschenrechtsexperte Walter Kälin im Interview mit 20 Minuten Online sagt.
Breite Kritik an der Initiative
Mit der Initiative fordert das Komitee die Todesstrafe für Personen, die «in Kombination mit einer sexuellen Handlung mit einem Kind, sexueller Nötigung oder Vergewaltigung eine vorsätzliche Tötung oder einen Mord begehen». Die Ankündigung der Initiative war letzte Woche auf breite Ablehnung gestossen. Die meisten Politiker kritisierten das Begehren. Hinter dem Komitee steht denn auch keine politische Gruppierung. Die Mitglieder stammen laut ihren Angaben aus dem Umfeld eines Opfers.
Die Namen der Initianten deuten auf eine Verbindung zur Ermordung der damals 28-jährigen Sou Ken T. im April 2009 in Kriens (20 Minuten Online berichtete). Als Hauptverdächtiger wurde D.A. verhaftet, zu dem Sou Ken zumindest zeitweise eine Beziehung gehabt haben soll. D.A. sitzt laut a-z.ch immer noch in Haft. Über den Tathergang wollen sich die Luzerner Behörden nicht äussern, weil das Verfahren noch läuft. Wie a-z.ch schreibt, soll das Opfer mit kambodschanischen Wurzeln die Schwester der Ehefrau von Marcel Graf sein, einem Mitinitianten der Initiative.
Initianten: Todesstrafe hilft Verbrechen zu verarbeiten
Für die Initianten ist die Todesstrafe die «gerechte und logische Strafe» nach einem Mord mit sexuellem Missbrauch. Nur der Tod des Täters ermögliche es den Hinterbliebenen, das Geschehene zu verarbeiten, schreibt das Komitee auf seiner Internetseite.
Auch die Würde des Opfers könne nur so teilweise wiederhergestellt werden, heisst es weiter auf der Seite, die am Dienstag aufgeschaltet wurde. Wenn die Todesstrafe nur ein Opfer verhindern könne, lohne sich die Initiative. Wie Komitee-Sprecher Marcel Graf bereits am Freitag bestätigt hatte, stammen alle Initianten aus dem Umfeld eines Opfers.
Zahlreiche Argumente verweisen denn auch auf den Schmerz, den Hinterbliebene nach einem Gewaltverbrechen verspüren: «Eine Wiedergutmachung durch den Täter ist nicht möglich», schreiben die Initianten. Ein Bild mit einem Grabstein einer jungen Frau und die Worte «We miss you» lassen Trauer um eine Angehörige erahnen.
Das Argument, dass die Todesstrafe auch Unschuldige treffen könnte, lässt das Komitee nicht gelten: «Solche Verbrechen hinterlassen massive Spuren an den Opfern und am Tatort.» Dank der modernen Kriminaltechnik würden keine Unschuldigen mehr hingerichtet. Weiter wirke die Todesstrafe abschreckend. (mdr/sda)
Die Volksinitiative «Todesstrafe bei Mord mit sexuellem Missbrauch» im Wortlaut:
I Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:
Art. 10 Abs.1 und 3
1 Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Wer in Kombination mit einer sexuellen Handlung mit einem Kind, sexueller Nötigung oder Vergewaltigung eine vorsätzliche Tötung oder einen Mord begeht, verliert sein Recht auf Leben und wird mit dem Tod bestraft. In allen anderen Fällen ist die Todesstrafe verboten.
3 Folter und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sind verboten. Ausgenommen ist die Todesstrafe.
Art. 123a Abs. 4 (neu)
4 Wer in Kombination mit einer sexuellen Handlung mit einem Kind, sexueller Nötigung oder Vergewaltigung eine vorsätzliche Tötung oder einen Mord begeht, wird hingerichtet, unabhängig von Gutachten oder wissenschaftlichen Erkenntnissen. Der Bund vollzieht die Hinrichtung. Die Hinrichtung wird innerhalb von drei Monaten, nachdem die Verurteilung rechtskräftig geworden ist, vollzogen. Das Gericht legt das Hinrichtungsdatum und die Hinrichtungsmethode fest.
II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt geändert:
Art. 197 Ziff. 85 (neu)
8. Übergangsbestimmung zu Art. 10 Abs. 1 und 3 und Art. 123a Abs. 4 (Todesstrafe) Die Artikel 10 Absätze 1 und 3 sowie 123a Absatz 4 über die Todesstrafe treten nach Annahme durch Volk und Stände sofort in Kraft. Sie finden auch auf Taten Anwendung, die vor Inkrafttreten dieser Bestimmungen begangen wurden und bei Inkrafttreten noch nicht rechtskräftig beurteilt sind; anders lautende Staatsverträge kommen nicht zur Anwendung. (sda)