GefeuertFacebook besucht, Kündigung erhalten
Eine Angestellte bleibt wegen einer Migräne zuhause. Eine Woche später wird sie entlassen. Begründung: Sie hat sich während der Krankheit auf Facebook getummelt - und «wer Facebook besuchen kann, kann auch arbeiten».
«Facebook ist für mich gestorben», sagt Samanta Bär*. Verständlich, die Plattform kostete die ehemalige Versicherungsangestellte im vergangenen Herbst den Job.
Am 13. November 2008 war die 31-jährige Baslerin mit einer starken Migräne für einen Tag zu Hause geblieben. Eine Woche später zitierte ihr Chef bei der Versicherung Nationale Suisse sie zu sich ins Büro. Dort warteten bereits die Personalleiterin und ein Direktionsmitglied. «Sie teilten mir mit, ich hätte fünf Minuten Zeit, um meine Sachen zu packen und die Firma zu verlassen», erzählt Bär. Der Chef beanstandete, dass sie während ihrer Migräne Facebook besucht hatte. Sein Schluss: «Wer dies kann, kann auch arbeiten.»
Nationale Suisse hat gegenüber 20 Minuten Online zum Fall schriftlich Stellung genommen: Die Angestellte habe angegeben, sie müsse bei Migräne im Dunkeln liegen und könne nicht am Bildschirm arbeiten. «Frau Bär war jedoch im Internet auf der Webseite Facebook aktiv», heisst es im Statement weiter. Dieser widersprüchliche Sachverhalt habe das Vertrauen in Frau Bär unwiderruflich zerstört. Deswegen habe man sich von ihr getrennt.
Spionierte falscher Freund?
Sie habe im Bett liegend mit ihrem iPhone aufs Internet zugegriffen, entgegnet Bär. So gesehen habe sie weder das Bett verlassen, noch sei sie durchs Haus spaziert. Dennoch habe sie die Kündigung an sich nicht schockiert. Wegen ihrer Bandscheibenprobleme habe sie immer wieder starke Kopfschmerzen gehabt und sei sich bewusst gewesen, dass sie früher oder später auf der Strasse landen könnte. «Was mich tatsächlich schockierte, war, dass sie mir offenbar nachspionierten», sagt Samanta Bär.
Der Chef habe während des Kündigungsgesprächs mit Auszügen aus ihrem Facebook-Account umhergewedelt. «Sie haben mich über längere Zeit ausspioniert», ist Bär deshalb überzeugt. Im Nachhinein ist ihr auch klar, wie: Ende Oktober 2008 sei auf Facebook die Freundschaftsanfrage einer H.M.** eingegangen. Ein Foto der Frau war nicht online, sie behauptete aber, Bär von der Fasnacht her zu kennen. Auch Arbeitskollegen hätten eine Anfrage, der «mysteriösen Frau» erhalten und seien bei deren Kontakten reichlich vertreten gewesen. «Ein Freund warnte mich noch, Kontakte anzunehmen, die ich nicht sicher kenne», so Bär. Kurz nach ihrer Kündigung, als M. «plötzlich verschwand», sei klar gewesen, wieso: «Irgendjemand aus der Firma hat mir offenbar mit Hilfe dieses Kontakts nachspioniert.»
Nationale Suisse: «Aktivität wurde zufällig entdeckt»
Davon will die Nationale Suisse nichts wissen: «Die Facebook-Aktivität von Frau Bär entdeckte ein Mitarbeiter zufällig», schreibt das Unternehmen in seiner Stellungnahme. Details dazu könne man aber aus Datenschutzgründen nicht preisgeben. Eine systematische Überprüfung der Facebook-Accounts von Mitarbeitern gebe es nicht. Zudem seien Frau Bär während des Kündigungsgesprächs keine Facebook-Ausdrucke vorgelegt worden.
Samanta Bär ist felsenfest überzeugt: «Mir wurde nachspioniert, und man hat mir als Beweis Ausdrucke aus Facebook vorgelegt.» Auf einen Rechtsstreit wollte sie sich aber nicht einlassen. Sie sei froh gewesen, ein neutrales Kündigungsschreiben erhalten zu haben. Eine Rückkehr zur Nationale Suisse sei nach der «Spionage» sowieso ausgeschlossen gewesen. «Mein Vertrauen in diesen Arbeitgeber ist dahin.»
* Name geändert
** Name der Redaktion bekannt
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Rechtsexperte: Spionage ist erlaubt
«Die Firma kotzt mich an»). Man solle sich deshalb gut überlegen, wem man was zugänglich macht.
Die Begründung, «wer Facebook besuchen kann, kann auch arbeiten» hingegen sei diskutabel. «Ein Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, regungslos im Bett zu liegen», sagt Häuptli. Wer also zum Beispiel an einer Grippe erkrankt, darf ohne Bedenken seinen Laptop nutzen. «Ein Facebook-Besuch ist in dem Sinne nichts anderes als eine Zeitungslektüre.» Entscheidend ist laut Häuptli letztlich aber die Art der Erkrankung. Im Fall von Frau Bär könne man mit einem widersprüchlichen Sachverhalt argumentieren. Letztlich sei es aber eine medizinische Frage, ob die Aktivität für den Heilungsprozess tatsächlich abträglich sei oder nicht.