Fernsehen hat Parlamentarier belauscht

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BundesratswahlFernsehen hat Parlamentarier belauscht

Die Dokumentarfilmer des Schweizer Fernsehens haben Politiker belauscht. Ohne Bewilligung und ohne Wissen der Betroffenen haben sie während der Bundesratswahl Tonaufnahmen gemacht.

Lukas Mäder
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Lukas Mäder

Wenn Nationalräte geheime Strategien aushecken, wollen sie nicht von Journalisten belauscht werden. Deshalb ziehen sie sich dafür gerne in den Ratsaal zurück, wo die Medien keinen Zugang haben. Doch nun lauscht auch dort das Schweizer Fernsehen mit. Während der Bundesratswahl am 10. Dezember zeichneten SF-Dokumentarfilmer ohne Bewilligung Gespräche auf. Und verstossen damit möglicherweise gegen das Gesetz.

Unauffälliges Knopfmikrofon platziert

Im Rahmen der Reihe «Reporter» zeigte das Schweizer Fernsehen am Mittwochabend ein Portrait von SVP-Präsident Toni Brunner. Dafür begleitete ihn ein Team während mehrerer Tage. Während der Bundesratswahl erhielt er ein Knopfmikrofon ans Jacket — zwar sichtbar, aber völlig unauffällig. Denn Journalisten ist mit Ausnahme von Kameraleuten und Fotografen der Zutritt zum Ratssaal verboten. Das Mikrofon zeichnete an diesem hektischen Morgen nicht nur Brunners Stimme auf, sondern auch die Aussagen seiner politischen Gegner.

Das Fernsehen hat für den Dokumentarfilm nun solche Aufnahmen von SP-Fraktionschefin Ursula Wyss verwendet — ohne deren Wissen. «Ich finde ein offenes Mikrofon im Saal inakzeptabel», sagt Wyss gegenüber 20 Minuten Online. Sie habe weder an jenem Morgen gewusst, dass ihre Aussagen aufgenommen werden, noch habe sie das Fernsehen danach angefragt, ob es die Aufnahmen verwenden dürfe. Den Film hat Wyss nicht gesehen, doch wundert sie sich über Brunner: «Ich finde es seltsam von ihm, dass er als lebendige Wanze herumläuft.»

«Sicher keine Bewilligung eingeholt»

Bei den Parlamentsdiensten, die auch für die Zulassung der Journalisten im Bundeshaus zuständig sind, weiss man ebenfalls nichts von den Aufnahmen: «Bei uns hat sicher niemand eine Bewilligung für diese Tonaufzeichnung eingeholt», sagt der Informationsbeauftragte Mark Stucki. Er findet es problematisch, wenn Tonaufnahmen ohne Wissen der betroffenen Person gemacht werden. «Besonders heikel ist es im Ratssaal selbst, weil dieser in gewissem Sinne ein geschützter Raum sein sollte», so Stucki. Rechtlich will er sich nicht festlegen: «Dieser Fall ist nicht explizit geregelt.» Immerhin besagt jedoch die Parlamentsverwaltungsverordnung, dass für Aufzeichnungen in den Räten selber eine Bewilligung nötig sei (Artikel 15).

Das Schweizer Fernsehen findet die Aufnahme nicht problematisch: «Der Nationalratssaal ist kein privater Raum, sondern einsehbar und einhörbar», sagt der zuständige Redaktionsleiter Christoph Müller. Er glaubt auch nicht, dass es eine verdeckte Aufnahme war. «Das Knopfmikrofon war am Jacket sichtbar angebracht.» Doch auch Müller gibt sich rückblickend ein bisschen zerknirscht: «Es wäre ohne Zweifel klüger gewesen, Ursula Wyss im Voraus anzufragen.»

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