Warten auf Geiseln — Bundesratsjet in Tripolis

Aktualisiert

Libyen-AffäreWarten auf Geiseln — Bundesratsjet in Tripolis

Die Schweiz wartet auf die beiden Geiseln. Noch heute sollten sie aus Libyen eintreffen. Um 12.30 Uhr ist der Bundesratsjet in Bern gestartet. Doch offenbar steht die Maschine immer noch auf einem Militärflugplatz bei Tripolis.

mdr/mlu/meo
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Die Gerüchte in der Bundeshauptstadt verdichten sich: Die beiden Schweizer Geiseln, die seit über einem Jahr in Libyen festsitzen, sollen noch heute in ihre Heimat zurückkehren. Libyen warf ihnen nach der Verhaftung des Gaddafi-Sohns Hannibal in Genf im Juli 2008 einen Verstoss gegen die Visabedingungen vor. Um 12.30 Uhr ist in Bern Belp der grosse Bundesratsjet gestartet — und hat vermutlich Kurs auf Tripolis genommen. Bundespräsident Hans-Rudolf Merz ist nicht an Bord. Jean Ziegler, der Kontakte nach Libyen hat, bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur SDA, dass nach dem Mittag ein Flugzeug des Bundes Richtung Tripolis abgehoben sei.

Bundesratsjet auf libyschem Militärflugplatz

Der Bundesratsjet sei um 15.30 Uhr in Tripolis eingetroffen, meldet das Westschweizer Radio RSR. Dort befindet er sich offenbar immer noch. Das Flugzeug stehe auf dem ehemaligen Militärflugplatz Maitega, sechs Kilometer östlich der libyschen Hauptstadt, meldet RSR unter Berufung auf lokale Journalisten. Ob es zu Problemen kommt, ist unklar. Bei einer Flugzeit von gut zwei Stunden treffen die Geiseln nicht vor dem späten Abend in Bern ein — oder gar erst am Mittwoch.

Mit der Rückkehr der beiden Geiseln könnte die Mission von Merz Erfolg haben. Er reiste am letzten Donnerstag nach Tripolis, wo er das mündliche Versprechen bekam, dass die Geiseln noch diesen Monat zurückkehren könnten. Dazu kam es nun schneller, als erwartet. Das Finanzdepartement von Merz will die Rückkehr erst offiziell mitteilen, wenn das Flugzeug in Tripolis wieder Richtung Schweiz abgehoben ist.

Zuerst muss Bundesratsjet abheben

Wie nervös die Journalisten in Bern sind, zeigen die Spekulationen. Heute Morgen kam die Vermutung auf, Merz könnte anlässlich eines Fototermins um 12 Uhr neue Informationen zu den Geiseln präsentieren. Eine Sprecherin des Finanzdepartements sagte jedoch gegenüber 20 Minuten Online, dass Merz nichts zu den Geiseln sagen werde. Man müsse auf das Mediencommuniqué warten. Ob ein solches noch heute kommt, wollte sie nicht sagen. Tatsächlich wurden an der Medienkonferenz über das Doppelbesteuerungsabkommen mit Luxemburg keine Fragen zum Thema Libyen zugelassen.

Das welsche Magazin «L'Hebdo» schrieb bereits am Montagabend, dass die beiden Schweizer die Ausreisepapiere der libyschen Behörden erhalten haben. Der Bundesratsjet sei reserviert. Und eine Sprecherin des Finanzdepartements wird mit der Aussage zitiert, dass man auf eine Rückkehr am Dienstag hoffe.

Ziegler beruft sich auf libysche Quellen

Ebenfalls am Montagabend haben sich einzelne Politiker gleichermassen geäussert. Seine Quellen in Libyen sagen ihm, dass die Geiseln bereits am Dienstag oder Mittwoch freikommen könnten, so alt Nationalrat Jean Ziegler in der TV-Sendung «10vor10». Und der «Blick» schreibt in der Ausgabe von Dienstag, dass das Umfeld von Bundesrat Merz gestern im Bundeshaus eine vage Andeutung gestreut habe: «In 24 Stunden sieht die Sache vielleicht schon ganz anders aus.»

Nicolas Hayek distanziert sich von Economiesuisse

Für Nicolas Hayek ist es nicht akzeptabel, dass die Schweiz sich in der Affaire Gaddafi «aus wirtschaftlichen Gründen» bei Libyen entschuldigt hat. Laut Hayek rechtfertigt nur ein humanitärer Grund diesen «Kniefall».

In einem Interview, das am Dienstag im «Blick» publiziert wurde, distanziert sich der ehemalige Chef der Swatch Group von Äusserungen, die am Vorabend von einem Vertreter von Economiesuisse gegenüber Schweizer Radio DRS gemacht worden waren.

Der Vertreter von Economiesuisse hatte am Montagabend im Radio gesagt, Libyen sei ein interessanter Geschäftspartner für die Schweiz. Man begrüsse es deshalb, wenn eine Entschuldigung von Bundespräsident Hans-Rudolf Merz auch die wirtschaftlichen Beziehungen wieder ankurble.

Auch in einem Communiqué, das die Swatch Group und der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie am Dienstag gemeinsam publizierten, heisst es: «Für einen Deal mit Libyen aufgrund kommerzieller Interessen hat die Mehrheit der Schweizer Realwirtschaft absolut kein Verständnis.» Nur eine Rückkehr der Geiseln rechtfertige das Abkommen.

(sda)

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