MissbrauchsfällePädo-Priester sollen auf schwarze Liste
Während die Schweizerische Bischofskonferenz im Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen in der Kirche keinen Handlungsbedarf sieht, mehrt sich andernorts der Ruf nach einem zentralen Register für pädophile Geistliche.
Nach Bekanntwerden neuer Fälle sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche fordert der Einsiedler Abt Martin Werlen mehr Kontrolle. In Rom müsse eine zentrale Stelle geschaffen werden, wo Kirchenleute, die angezeigt wurden, registriert sind. «Bei einem Stellenwechsel in eine andere Diözese wo auch immer auf der Welt könnte sich ein Bischof erkundigen, ob etwas Gravierendes vorliegt», sagte er im Interview mit dem «SonntagsBlick». Versetzungen von Priestern geschähen nicht nur innerhalb eines Landes, sagte Werlen zudem gegenüber der «SonntagsZeitung».
Werlen will seinen Vorschlag der Schweizerischen Bischofskonferenz (SBK) vortragen. Er schlägt eine ausserordentliche Sitzung vor, weil mit diesem Entscheid nicht bis zur nächsten ordentlichen Sitzung im Juni gewartet werden könne.
CVP und Generalvikar dafür
Auch die CVP fordert eine schwarze Liste für pädophile Priester. «Wer Kinder missbraucht, darf nicht mehr mit Kindern arbeiten», forderte CVP-Präsident Christophe Darbellay im «Sonntag». Gegenüber Pädophilen müsse «ein Berufsverbot» verhängt werden. Auch CVP-Vizepräsidentin Ida Glanzmann will ein zentrales Melderegister für fehlbare Priester: «Jetzt braucht es eine schwarze Liste.» Damit soll sichergestellt werden, dass pädophile Priester von Kindern ferngehalten werden.
Eine solche Liste für Pädophile gibt es bereits an den Schweizer Schulen. Seit zwei Jahren müssen die Kantone der Eidgenössischen Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) melden, wenn Lehrer wegen Pädophilie verurteilt wurden. Ein Eintrag in das zentrale Melderegister ist mit einem Berufsverbot verbunden. Roland-Bernhard Trauffer, Generalvikar des Bistums Basel, unterstützt den CVP-Vorschlag in einem Interview mit dem «Sonntag»: «Persönlich wäre ich einverstanden, wenn Übergriffe vermieden werden können», so Trauffer
Bischöfe wollen nicht handeln
Die SBK sieht vorerst keinen Handlungsbedarf. Der am Samstag vom Papst veröffentlichte Hirtenbrief zum sexuellen Missbrauch in der irischen Kirche bestätige die Richtlinien, welche die Kirche für Fälle des sexuellen Missbrauchs 2002 aufgestellt habe, sagte SBK-Sprecher Walter Müller am Samstag.
Präsident Norbert Brunner äusserte in der NZZ am Sonntag» zwar «echtes Bedauern», bekräftigte aber die Haltung der SBK: «Es ist Aufgabe eines jeden Bistums, zu prüfen, ob eine Person den fachlichen und moralischen Ansprüchen entspricht, bevor sie eingestellt wird.» So will die Kirche Missbrauchsfälle weiterhin nicht automatisch zur Anzeige bringen. Eine Regelung, die der Oberstaatsanwalt des Kantons Zürich, Andreas Brunner, in der «NZZ am Sonntag» kritisiert. Ohne Anzeigen seien den Untersuchungsbehörden die Hände gebunden, sagt er. (jcg/sda)
Uneinigkeit in deutscher Kirche
Unter den katholischen Bischöfen in Deutschland gibt es Uneinigkeit, ob Verdachtsfälle von Kindesmissbrauch künftig immer der Justiz gemeldet werden müssen. Im Gegensatz zu den bayerischen Bischöfen sieht der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, eine Anzeigepflicht kritisch. Er höre immer wieder von Fällen, bei denen Opfer über ihr Leid sprechen wollten, aber eine Anzeige ausdrücklich nicht wünschten, sagte Zollitsch dem Nachrichtenmagazin «Focus».
«Das stürzt uns moralisch in Probleme, da wir ja dennoch daran interessiert sind, dass Täter überführt werden und der staatliche Prozess zu einem Urteil kommt.» Der Weg zur Staatsanwaltschaft verlange zudem Anhaltspunkte für eine Tat. «Immerhin kann man Menschen durch falsche Beschuldigungen geistig umbringen. Darüber wird vielleicht in der momentanen erhitzten Situation zu wenig nachgedacht.» (ddp)
Neuer Fall aus Disentis
Die Zeitung «Südostschweiz am Sonntag» berichtete von Vorwürfen eines ehemaligen Schülers der Klosterschule Disentis über schweren Missbrauch durch einen Mönch. Die Rektorin dieser Schule, Genevieve Appenzeller-Combe, sagte der «SonntagsZeitung», wohl jedes Internat habe «Leichen im Keller». Zur aktuellen Situation an der Klosterschulde Disentis sagte sie, dass jede Berührung im Unterricht tabu sei. Selbst wenn ein Zwölfjähriger weinend dastehe, werde er nicht in den Arm genommen. (ddp)