Parteien empört über Schweizer Diplomatie

Aktualisiert

Ahmadinedschad-RedeParteien empört über Schweizer Diplomatie

Die Rolle der Schweiz im Umgang mit dem iranischen Präsidenten sorgt für heftige Kritik - nicht nur in Israel. Die Schweizer Parteien kritisieren insbesondere das Verhalten der Delegation an der UNO-Rassismuskonferenz.

Das Verhalten der von Botschafter Dante Martinelli geleiteten Schweizer Delegation an der am Montag eröffneten UNO-Weltkonferenz gegen den Rassismus trifft auf Unverständnis. Während viele europäischen Delegierten den Saal während der Rede von Ahmadinedschads Rede verliessen, blieben die Schweizer sitzen.

Der Bundesrat tappe von einem Fettnäpfchen ins nächste, schreibt Silvia Bär, SVP-Generalsekretärin ad interim. So sei die Teilnahme der Schweiz an der Konferenz unverständlich. Die Schweiz müsse sich, auch wenn es Bundesrätin Calmy-Rey schwer falle, auf die bewährte Neutralität besinnen. Die neutrale Schweiz habe an vorprogrammierten einseitigen Verurteilungen nicht mitzumachen, fordert die SVP.

Laut CVP-Präsident Christoph Darbellay haben sich die Befürchtungen einer Entgleisung der Konferenz wegen der Anwesenheit von Ahmadinedschad bestätigt. «Es ist bei ihm üblich, dass er die Sachen die er an der Konferenz erzählt hat, immer erzählt», sagte Darbellay. Ahmadinedschad sei ein Holocaust-Leugner. Dass der iranische Präsident nicht «salonfähig» sei, überrasche niemanden. Der CVP-Präsident bezeichnete das Treffen zwischen Bundespräsident Merz und Ahmadinedschad als zu hoch angesetzt. So habe man schon nach dem Streit um das Kopftuch bei dem Treffen zwischen Calmy-Rey und dem Präsidenten Irans gewisse Erfahrungen gemacht. «Gerade in der jetzigen Situation, wo die internationalen Beziehungen der Schweiz unter Druck sind, muss man aufpassen», sagte Darbellay. Dass die Schweizer Delegation an einer internationalen Konferenz der UNO in Genf teilnehme, sei aber normal.

Die FDP verurteilte die Entgleisung des iranischen Präsidenten. Die Instrumentalisierung der Konferenz für verwerfliche Ziele sei nicht akzeptabel, schreibt die FDP. Die Partei ruft den Bundesrat dazu auf, die aktuelle Situation zu analysieren und zu entscheiden, ob unter den gegebenen Umständen eine Weiterarbeit der Schweiz an der Arbeit der Konferenz noch sinnvoll ist. Sie habe habe wiederholt in den aussenpolitischen Kommissionen und im Parlament davor gewarnt, sich zu stark für diese Konferenz zu engagieren. Es seien klare und strikt zu erfüllende Bedingungen für eine Teilnahme der Schweiz gefordert worden. Deshalb sei es für die FDP auch richtig, dass die Schweiz nicht auf Ministerebene vertreten sei.

Die EVP, die die Schweizer Delegation im Vorfeld bei einer rassistischen Diffamierung zum Verlassen des Saales aufgefordert hatte, reagierte enttäuscht. Die Schweizer Delegation habe es versäumt, ein klares Zeichen zu setzen, sagte EVP-Generalsekretär Joel Blunier.

SP-Parteipräsident Christian Levrat zeigte sich vom Verhalten Israels überrascht, welches seinen Botschafter nach Jerusalem zurück gerufen hatte. Er verstehe die Reaktion von Israel überhaupt nicht. Es sei die Rolle der Schweiz, einen Dialog mit allen Staaten in der Welt zu führen. «Wenn man Sachen auf den Tisch legen will, muss man ein Gegenüber haben» sagte Levrat. Er sieht das Treffen von Merz mit Ahmadinedschad als Fortführung der Tradition der aktiven Diplomatie, die Bundesrätin Micheline Calmy-Rey eingeführt habe.

Die Schweiz als Gastgeberin und als Vermittlerin zwischen den USA und dem Iran müsse sich durch die Präsenz auf untergeordneter Ebene die Türen offen halten, sagte Levrat zum Verbleib der Schweizer Delegation bei der Rede des iranischen Präsidenten. Die Logik der aktiven Neutralität bedeute, dass man mit allen Seiten den Dialog pflege. Ahmadinedschad scheine alle Grenzen überschritten zu haben. Auch in so einem Fall müsse der Dialog weitergeführt werden «auch wenn er kontrovers geführt werden muss», sagte Levrat.

EDA kritisiert Rede Ahmadinedschads

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) kritisierte, dass die Äusserungen des iranischen Präsidenten über Israel dem Geist und der Absicht der Konferenz widersprächen. Bundesrätin Micheline Calmy-Rey nahm am Montag nicht an der UN-Weltkonferenz gegen Rassismus in Genf teil.

Rückruf des israelischen Botschafters

Benjamin Netanyahu und Aussenminister Avigdor Lieberman entschieden am Montag, den Botschafter in der Schweiz zu «Konsultationen» zurückzurufen, wie ein Sprecher des israelischen Aussenministeriums bekannt gab. Dies aus Protest gegen das Treffen zwischen Bundespräsident Hans-Rudolf Merz und dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad vom Vortag. Zudem wurde die Schweizer Geschäftsträgerin der Botschaft in Tel Aviv zu einem dringenden Treffen vorgeladen.

Das Treffen des Präsidenten eines demokratischen Landes mit einem notorischen Holocaust-Leugner wie Ahmadinedschad, der offen die Tilgung Israels von der Landkarte gefordert habe, entspreche nicht den von der Schweiz vertretenen Regeln, hiess es.

EDA überrascht von israelischer Reaktion

Das EDA zeigte sich aber überrascht über die Reaktion Israels. So sei Israel im Vorfeld über das geplante Treffen informiert worden. Die israelische Geschäfsträgerin sei vom EDA ebenfalls vorgeladen worden.

Bundespräsident Merz verteidigte das Treffen in einem Interview von «Radio 1». Er verstehe die Kritik zwar, sie sei aber unberechtigt, sagte er. Die Schweiz spiele eine Rolle in dem nötigen Dialog. So bestehe im gesamten Mittleren Osten ein Konfliktpotenzial von grossem Ausmass. «Es darf nicht sein, dass sich die Fronten zu verhärten beginnen», sagte Merz. Es sei nötig, dass auf faire Art Zusammenhänge aufgezeigt würden, die zum Nachdenken anregten. Dies sei gut gelungen, glaube er. (dapd)

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