Todes-Cocktail zu Recht verweigert

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Schweiz vor GerichtTodes-Cocktail zu Recht verweigert

Ein psychisch Kranker ist mit seiner Klage gegen die Schweiz vor dem Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg erfolglos geblieben. Er wollte unbedingt sterben.

Der manisch-depressive 58-jährige Mann hatte nach mehreren erfolglosen Selbstmordversuchen 2004 die Sterbehilfeorganisation «Dignitas» um eine Freitodbegleitung ersucht. Kein Arzt wollte ihm jedoch ein Rezept für die benötigten 15 Gramm des verschreibungspflichtigen Mittels Natrium-Pentobarbital ausstellen.

Keine Verletzung des Privatlebens

Er gelangte an die Behörden des Kantons Zürich und des Bundes und ersuchte darum, das tödlich wirkende Betäubungsmittel über «Dignitas» ohne Vorlage einer ärztlichen Verschreibung beziehen zu können. Sein Anliegen wurde ihm verwehrt, was vom Bundesgericht 2006 in einem Grundsatzurteil bestätigt wurde.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist auf seine Beschwerde hin nun zum Schluss gekommen, dass die Schweiz mit ihrer Weigerung zur rezeptfreien Abgabe des Mittels seinen Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens nicht verletzt hat.

Gemäss den Richtern in Strassburg umfasst das Recht auf Achtung des Privatlebens zwar durchaus den Aspekt, über Art und Zeitpunkt des eigenen Todes entscheiden zu dürfen. Das Erfordernis einer ärztlichen Verschreibung für den Bezug eines tödlich wirkenden Mittels sei indessen eine zulässige und notwendige Einschränkung.

Schutz der Betroffenen

Der Gerichtshof teilt damit die Ansicht der Schweiz, wonach das verlangte Rezept nach vorgängiger ärztlicher Begutachtung einen legitimen Schutz suizidwilliger Personen vor einem vorschnellen Entscheid darstellt. Dies gelte umso mehr, als die Schweiz bereits unter relativ einfachen Voraussetzungen Suizidhilfe erlaube.

Die Beschränkung des Zugangs zu Natrium-Pentobarbital diene dem Schutz der Gesundheit, der öffentlichen Sicherheit und nicht zuletzt der Verhinderung von Straftaten. Zu stützen sei auch die Auffassung des Bundesgericht, dass die Abgabe des Mittels ein Verfahren verlange, dass die freie Willensbildung sicherstelle.

Selbstbestimmter Tod möglich

Im übrigen zeigte sich der Gerichtshof nicht davon überzeugt, dass es für den Beschwerdeführer absolut unmöglich sein sollte, einen unterstützungswilligen Arzt zu finden. Sein Recht auf freie Wahl des Todeszeitpunkts und der Todesart scheine damit nicht bloss theoretisch und illusorisch zu sein.

Das Bundesgericht hatte bei seinem Entscheid von 2006 betont, dass keine grundrechtliche Pflicht des Staates besteht, für die rezeptfreie Abgabe von Pentobarbital an Sterbehilfeorganisationen oder Suizidwillige zu sorgen. Laut den medizinischen Grundregeln sei es durchaus möglich, ein ärztliches Rezept dafür zu erhalten.

Suizidhilfe auch für psychisch Kranke

Bei psychisch kranken Menschen erweise sich die Frage der Verschreibung für einen begleiteten Suizid zwar als besonders heikel. Nach neuen ethischen, rechtlichen und medizinischen Stellungnahmen sei jedoch selbst in solchen Fällen eine Verschreibung des Mittels nicht generell ausgeschlossen.

Dies setze aber notwendigerweise ein vertieftes psychiatrisches Fachgutachten voraus, was nur sichergestellt sei, wenn an der ärztlichen Verschreibungspflicht festgehalten werde. Die Verantwortung dafür dürfe nicht privaten Sterbehilfeorganisationen in die Hände gelegt werden. (sda)

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