Politischer FlüchtlingWikileaks-Chef erhält kaum Asyl in der Schweiz
Weil er brisante Dokumente enthüllt hat, überlegt sich Wikileaks-Chef Julian Assange in der Schweiz Asyl zu beantragen. Seine Chancen stehen schlecht.

«Da Assange Australier ist, müsste er zuerst den Schutz seines Heimatlandes in Anspruch nehmen»: Der Wikileaks-Gründer Julian Assange an seiner Pressekonferenz am Donnerstag in Genf.
Die Veröffentlichung von geheimen Dokumenten der armerikanischen Armee zu den Kriegen in Afghanistan und im Irak brachten Wikileaks in die Schlagzeilen. Die Enthüllungsplattform schuf sich damit auch mächtige Feinde. Der Gründer von Wikileaks, Julian Assange, fühlt sich deshalb bedroht und trifft Sicherheitsvorkehrungen. Bei seinem Besuch in Genf sagte der Australier gegenüber dem Westschweizer Fernsehen TSR, dass er sich überlege, in der Schweiz ein Asylgesuch zu stellen.
Assange hätte die Möglichkeit in der Schweiz um Asyl zu ersuchen, auch wenn sein Heimattland Australien als sogenanntes «Safe Country» (sicheres Land) gilt. «Grundsätzlich können Personen aus allen Staaten in der Schweiz Asyl beantragen», sagt Marie Avet vom Bundesamt für Migration (BFM). Jedes Asylgesuch wird einzeln geprüft. Das Asylgesetz definiert Flüchtlinge als Personen, deren Leib, Leben oder Freiheit unter anderem wegen ihrer politischen Anschauung gefährdet ist.
Australien könnte genauso gut schützen
Doch die Chancen auf Asyl sind für Assange gering. Zu diesem Schluss kommt die Schweizerische Flüchtlingshilfe. «Da Assange Australier ist, müsste er zuerst den Schutz seines Heimatlandes in Anspruch nehmen», sagt Sprecher Adrian Hauser. Denn die Schweiz gehe davon aus, dass Australien seinen Bürger genauso gut schützen könne wie die Schweiz. Assange müsste glaubhaft machen, dass ihn Australien nicht schützen kann, sagt Hauser. «Das wird sehr, sehr schwierig.»
Doch selbst wenn die Schweiz Assange Asyl gewähren würde, wäre er nicht vor einer Auslieferung geschützt. In Schweden läuft ein Verfahren gegen ihn wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung. «Das Bundesamt für Justiz könnte eine Auslieferung in jeden Drittstaat verfügen, sofern alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind», sagt Folco Galli vom Bundesamt für Justiz. Bei Asyl wäre einzig die Auslieferung in seinen Heimatstaat untersagt. Zudem sind laut Galli Auslieferungen aufgrund militärischer oder politischer Delikte nicht möglich. Beide Einschränkungen würden nicht zutreffen, wenn Schweden ein Auslieferungsgesuch wegen mutmasslicher Vergewaltigung stellen würde.
Kontingent für Australier
Neben dem Asylgesuch hätte Assange auch die Möglichkeit, eine normale Aufenthaltsbewilligung zu beantragen. In Schweden sei derzeit ein Gesuch um eine Aufenthaltsbewilligung suspendiert, sagte Assange zu TSR. Die Chancen stehen dafür aber auch in der Schweiz nicht gut. «Australier unterliegen der Kontingentierung, für die nur Spezialisten und hochqualifizierte Personen eine Erlaubnis erhalten», sagt Avet vom BFM. Es muss ein Arbeitsvertrag vorliegen und belegt werden, dass kein Schweizer oder EU-Bürger mit gleichwertigen Qualifikationen gefunden werden konnte.