Nazis zwischen Yak und Yeti

Aktualisiert

Nazis zwischen Yak und Yeti

Kaum ein anderes Unterfangen der vom Rassenwahn besessenen Nazis war so grotesk wie die SS-Expedition, die in Tibet «Ur-Arier» aufspüren sollte.

Daniel Huber
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Daniel Huber

Spätestens seit vor über einem Jahrzehnt der Film «Sieben Jahre in Tibet» in die Kinos kam, ist allenthalben bekannt, dass Bergsteiger aus dem Dritten Reich den Zweiten Weltkrieg in Tibet verbrachten. SS- und Parteimitglied Heinrich Harrer wurde damals ein Freund des jungen Dalai Lama.

Die Wurzeln der Arier

Weniger bekannt ist, dass neben den Alpinisten — die ja nur auf der Flucht aus Britisch-Indien nach Tibet gelangten — noch eine andere Expedition aus dem Nazi-Reich das Dach der Welt besuchte: Am 21. April 1938, vor fast genau 70 Jahren also, brach eine fünfköpfige SS-Truppe vom italienischen Hafen Genua in das weitgehend unbekannte Hochland im Himalaja auf. Ihr Auftrag: In Tibet die Wurzeln der «Arier» aufzuspüren.

Der «Reichsführer-SS» Heinrich Himmler höchstpersönlich war davon überzeugt, dass auf dem Dach der Welt die Elite einer «ur-arischen» Bevölkerung Zuflucht gefunden habe — Reste einer mit dem sagenhaften Atlantis untergegangenen prä-antiken Zivilisation. Diese groteske braun-esoterische Theorie, die auf Helena Petrowna Blavatsky zurückging, die russisch-amerikanische Gründerin der Theosophischen Gesellschaft, stützte sich unter anderem auf die Tatsache, dass in Tibet — wie übrigens auch in anderen Kulturkreisen — das Hakenkreuz schon seit Jahrhunderten als Glückssymbol galt.

Königsdisziplin Schädelmessen

Schon 1935 hatte Himmler das Forschungsinstitut «Ahnenerbe» eingerichtet, in dem die Herkunft der germanischen Rasse erforscht und ihre Überlegenheit belegt werden sollte. Nun übernahm der SS-Chef die Schirmherrschaft über die Nazi-Expedition nach Tibet, die von der deutschen Industrie mit erheblichen Mitteln finanziert wurde. Organisator und Leiter der Forschungsreise war der Zoologe und Ornithologe Ernst Schäfer (1910-1992), der in der SS den Rang eines Untersturmführers bekleidete und zum persönlichen Stab Himmlers gehörte.

Nachdem die Expedition mit Mühe — die britisch-indischen Behörden wollten die Nazi-Truppe nicht nach Tibet einreisen lassen — das Hochland im Himalaja erreicht hatte, widmete sich Expeditionsteilnehmer Bruno Beger (*1911) der Suche nach den Ariern. In den Gesichtern der Himalaja-Bewohner forschte der Anthropologe und SS-Obersturmbannführer nach «arischen Zügen» und praktizierte dabei die Königsdisziplin der Rassisten, das Schädelmessen.

Durch den Buddhismus «entnordet»

Als «zwischen der mongolischen und europäischen Rasse stehend» taxierte er nach 300 Proben die Tibeter und kam zum Schluss, dass ein «arisches Rasse-Element» vornehmlich noch im Adel enthalten sei. Viel Gemeinsamkeiten zwischen germanischer Herrenrasse und Tibetern fand Beger gleichwohl nicht. Enttäuscht fand er die Schuld beim lamaistischen Buddhismus: Diese von aussen übernommene Religion habe das einst tapfere und kriegerische Volk der Tibeter verweichlicht; die Theokratie der Lamas habe den traditionellen Lebensstil zerstört und so zur «Entnordung» geführt.

Der SS-Anthropologe Beger opferte später, als er ab 1943 im Vernichtungslager Auschwitz Dienst tat, 86 speziell ausgesuchte jüdische Häftlinge seinem pseudowissenschaftlichen Spieltrieb. Er liess sie ins KZ Natzweiler bringen und dort vergasen — Material für seine Skelettsammlung. Dafür wurde er 1970 zu einer Freiheitsstrafe von sage und schreibe drei Jahren verurteilt.

«Geheimnis Tibet»

Die Expedition kam gerade noch rechtzeitig vor Kriegsausbruch heim ins Reich: Im August 1939 wurden die Tibetreisenden von Himmler persönlich auf dem Flugplatz München empfangen. Sie brachten einen Film mit, den sie im Hochland am Himalaja gedreht hatten. «Geheimnis Tibet», so hiess der Doku-Streifen, kam 1943 in die deutschen Kinosäle. Es wurde ein durchschlagender Erfolg.

Der Film betont — ganz im Gegensatz zum heute vorherrschenden Bild — die kriegerischen Aspekte der tibetischen Kultur. So beginnt er mit der Schilderung eines tibetischen Kriegstanzes für den blutrünstigen tibetischen Schutzgott Mahakala, Herr des Todes und des Schreckens. Im Drehbuch steht dazu: «Dem Mahakala huldigen die besten der adeligen Krieger. Ihrem Kriegsgott beweisen sie die höchste Kraft, Härte und Zucht.»

Tibetforscher Schäfer erhielt für seine ausserordentlichen Verdienste den SS-Totenkopfring und den SS-Ehrendegen als Auszeichnungen.

Quellen: einestages.spiegel.de / lexi-tv.de / tourism-watch.de / MDR.de

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