Wie man sich an der Krise bereichert

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Wie man sich an der Krise bereichert

Es liest sich wie ein Krimi über modernen Bankraub: Spekulanten streuen mitten in der Finanzkrise gezielt falsche Gerüchte, lösen einen Kurssturz aus - und bereichern sich daran.

Nachdem Spekulationen um eine angebliche Schieflage bei Grossbritanniens grösster Hypothekenbank HBOS vergangene Woche die Runde machte, sah es kurze Zeit so aus, als würde sich das Debakel um die US-Bank Bear Stearns auf europäischem Boden wiederholen. Aktien brachen ein, die Börsen waren in heller Aufregung.

Der Fall zeigt, dass die Nerven an den Börsen blankliegen und welche kriminellen Blüten die Kreditkrise offenbar treibt. In London ermittelt nun die Finanzaufsicht wegen angeblicher Manipulation durch erfundene Gerüchte.

Grosser Gewinn

Die Betrüger sollen nach Medienangaben umgerechnet fast 130 Mio. Euro mit den lancierten Spekulationen verdient haben. Diese nahmen am Mittwochmorgen ihren Lauf, als verbreitet wurde, HBOS habe Liquiditätsprobleme.

Es hiess sogar, die Osterferien einiger Mitglieder der Englischen Notenbank seien abgesagt worden, um ein Nottreffen abzuhalten. Der Kurs von HBOS stürzte darauf um zeitweise bis zu 20 Prozent ab, das Unternehmen verlor Milliarden an Wert und der Handel wurde zeitweise ausgesetzt.

Vor allem in Grossbritannien herrscht das grosse Zittern vor einem zweiten Bankendebakel, nachdem bereits die Hypothekenbank Northern Rock wegen der US-Immobilienkrise abrutschte und verstaatlicht werden musste. Die Reaktionen liessen deshalb auch nicht lange auf sich warten.

Schnell dementiert

In ungewöhnlich heftiger Weise wurden die Spekulation - die in der Londoner City normalerweise mit einem lapidaren «no comment» bedacht werden - zurückgewiesen. Schlichtweg um «Lügen», «Unsinn» und «heimtückische Gerüchte», an denen «nichts dran» sei, habe es sich gehandelt, teilte HBOS mit.

Auch die sonst so zurückhaltende Bank of England sah sich genötigt, einzugreifen und wies es als «Fantasie» zurück, die Notenbank habe Feiertage gestrichen.

Die Finanzaufsicht schaltete sich ein und teilte ungewöhnlich offen mit: «Es gab in den vergangenen Tagen an der Londoner Börse eine Serie komplett unbegründeter Gerüchte über britische Finanzinstitute, von denen manche von Baisse-Spekulationen begleitet waren.»

Bei diesen Baisse-Spekulationen leihen sich Händler über bestimmte Finanzmarktinstrumente Aktien und verkaufen diese. Sie setzten dabei auf fallende Preise für die Papiere. Anschliessend kaufen sie die Aktien zu einem niedrigeren Preis wieder zurück und geben sie dem Verleiher zurück. Aus der Differenz hat der Händler einen Gewinn gemacht.

Hedgefonds im Verdacht

Wer hinter den lancierten Gerüchten steckt, war auch am Freitag noch nicht klar. Die Zeitung «Daily Telegraph» will erfahren haben, dass ein Hedgefonds der Übeltäter sei. Bei diesem hätten sich Händler als unabhängige Rechercheure oder Journalisten ausgegeben. Anschliessend sollen Gerüchte unter Investmentbanken gestreut worden sein.

Nach der Aufregung erholte sich die HBOS-Aktie wieder und drehte am Donnerstag ins Plus. Doch die Angststimmung an der Börse wird wohl bleiben: «Dass diese falsche Geschichte einschlagen konnte, zeigt viel über den Zustand der Finanzmärkte», schrieb dazu die Zeitung «Guardian». «Nervosität beschreibt diesen nicht einmal annähernd.» (sda)

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