Charles Manson«Helter Skelter» und der amerikanische Alptraum
Vor 40 Jahren schockierte ein Verbrechen die Welt. Fünf Menschen, unter ihnen der hochschwangere Hollywoodstar Sharon Tate, wurden bestialisch ermordet. Hinter der Tat stand der charismatische Sektenführer Charles Manson, eine Verkörperung der Faszination des Bösen.
NBC-Interview mit Charles Manson aus dem Jahr 1987. (Video: YouTube)
Amerika ist sich in Sachen Verbrechen einiges gewohnt. Was sich in der Nacht zum 9. August 1969 in einer Villa in Hollywood ereignete, war aber selbst für hartgesottene Gemüter ein Schock. Die im achten Monat schwangere Schauspielerin Sharon Tate, Ehefrau des in London weilenden Regisseurs Roman Polanski, ihr ungeborenes Kind und drei Gäste waren mit Küchenmessern regelrecht abgestochen worden – die Polizei zählte 102 Wunden.
Ein 18-Jähriger, der zufällig am Tatort vorbeifuhr, wurde ebenfalls umgebracht. Mit Tates Blut schrieben die Mörder das Wort «Pig» (Schwein) an die Wand. In der folgenden Nacht traf es das Ehepaar Leno und Rosemary LaBianca, Besitzer einer Supermarkt-Kette. Auch sie wurden brutal getötet, mit Blut war «Death to Pigs» und «Healter Skelter» an die Wände geschmiert worden. In Hollywood brach Panik aus, viele fürchteten eine Mordserie.
Nach Razzia verhaftet
Am 16. August fand auf einer Ranch, die einst als Filmkulisse gedient hatte und nun vom Sektenführer Charles Manson und seiner «Family» bewohnt wurde, eine Polizeiaktion statt. Es ging um Autodiebstahl, doch wegen Mangels an Beweisen wurde das Verfahren eingestellt. Am 12. Oktober kam es zu einer weiteren Razzia, bei der Manson und zahlreiche Gefolgsleute verhaftet wurden, doch erst im Verlauf der Ermittlungen stellte sich heraus, dass man die Urheber des Tate-Massakers und der LaBianca-Morde hatte.
Von Beginn an mischte sich Entsetzen mit Faszination, denn Charles Manson ist die Verkörperung des amerikanischen Alptraums. 1934 wurde er als Sohn einer 16-jährigen Prostituierten geboren, die ihrem christlich-fundamentalistischen Elternhaus entfliehen wollte. Ein Familienleben hat er nie gekannt. Als Manson 1966 nach Verbüssung einer Haftstrafe entlassen wurde, hatte er eine illustre Karriere als Kleinkrimineller hinter sich – von seinen 32 Lebensjahren hatte er 20 in Heimen und Gefängnissen verbracht.
Mit «Helter Skelter» zum Rassenkrieg
In Kalifornien gründete er im «Summer of Love» 1967 eine Hippie-Kommune, die «Family». Mit der Zeit verstieg sich Charles Manson, der vom zuständigen Staatsanwalt Vincent Bugliosi als «ungebildet, aber hoch intelligent» beschrieben wird, in Wahnvorstellungen. Er hielt sich für die Inkarnation von Jesus und dem Teufel in einer Person und die Beatles für die vier Engel der Apokalypse. In ihrem Song «Helter Skelter» glaubte er einen Code zu erkennen für einen Rassenkrieg der Schwarzen gegen die Weissen, aus dem Manson und seine Anhänger als Herrscher hervorgehen würden, weil die Schwarzen zum Regieren zu dumm seien.
Daneben war Charles Manson ein nicht unbegabter Musiker. Der Produzent Terry Melcher wollte ihm jedoch keinen Plattenvertrag geben. Bis heute ist nicht ganz geklärt, ob er allenfalls das Ziel des Mordanschlags war, denn in der Villa von Polanski und Tate hatte zuvor er gewohnt. Zumindest gilt der Hass auf das Establishment als ein Motiv, zusammen mit dem bis dato ausgebliebenen «Helter Skelter»-Rassenkrieg, dem Manson nach Ansicht von Staatsanwalt Bugliosi ein wenig nachhelfen wollte.
In einem tumultartigen Prozess wurden der Sektenguru und die fünf Anhänger, welche die grausigen Taten auf seinen Befehl verübt hatten, 1971 zum Tode verurteilt. Als Kronzeugin trat Linda Kasbian auf, die beim Massaker «Schmiere» gestanden und unter anderem ausgesagt hatte, Sharon Tate habe vergeblich gefleht, ihr ungeborenes Kind zu verschonen. Im Gegenzug ging sie straffrei aus. Weil die Todesstrafe 1972 in Kalifornien ausgesetzt wurde, wurden die Urteile in lebenslänglich umgewandelt.
Elf Anträge auf Begnadigung
Noch heute sitzt der 74-jährige Charles Manson im Gefängnis. In Fernsehinterviews inszenierte er sich als Mischung aus Wirrkopf und begnadetem Manipulator. Echte Reue hat er im Gegensatz zu seinen Komplizen nie gezeigt, weshalb er trotz elf Anträgen auf Begnadigung wohl nie in die Freiheit entlassen wird. Mansons Name ist «zum Synonym für das Böse geworden», so Vincent Bugliosi gegenüber dem britischen «Observer».
Und für die Faszination dieses Bösen. Der Massenmörder ist auch eine Popikone. Kein Häftling in den USA hat mehr Fanpost erhalten. Zahlreiche Bücher wurden über den Fall geschrieben, seine Geschichte wurde verfilmt und als Oper auf die Bühne gebracht. Viele interpretieren die Morde vom August 1969 als Ende der Hippiebewegung. Dabei erlebte diese ihren Höhepunkt genau eine Woche später – in Woodstock.
Mythos eines Mörders am TV
Linda Kasbian war die Kornzeugin im Manson-Prozess. Danach lebte sie jahrelang unter einen neuen Namen, ehe sie von einem Fernsehteam ausgespürt wurde. Ihm erzählte sie ihre Geschichte. Das daraus entstandene Dokudrama wird am 27. August um 22.35 Uhr vom Sender VOX unter dem Titel «Charles Manson - Mythos eines Mörders» als Free-TV-Premiere ausgestrahlt.