«Ich dachte, so etwas gibt es nur in Amerika»

Aktualisiert

Polizisten prügeln Raver«Ich dachte, so etwas gibt es nur in Amerika»

Leser-Reporter Arno Giger beobachtet, wie Polizisten an der Street Parade einen gefesselten Mann schlagen. Als er den Vorfall filmen will, setzt es auch für ihn Prügel.

von
R. Nicolussi
Sollen einen Mann in Handschellen mit Fäusten traktiert haben: Polizisten der Stadtpolizei Zürich. (Symbolbild)

Sollen einen Mann in Handschellen mit Fäusten traktiert haben: Polizisten der Stadtpolizei Zürich. (Symbolbild)

Arno Giger kann mit der Street Parade in Zürich nicht viel anfangen. Der 38-jährige Bündner ist am Samstagabend lediglich auf dem Weg nach Hause, als er gegen 19.30 Uhr an der Ecke General-Guisan-Quai/Breitingerstrasse Zeuge eines brutalen Polizeieinsatzes wird. Die Polizei hat eben einen 25- bis 30-jährigen Raver festgenommen. Der Mann liegt in Bauchlage am Boden, wie Giger 20 Minuten Online erzählt. Die Hände seien mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt, die Füsse mit Kabelbinder fixiert gewesen. Plötzlich hört der Lastwagenchauffeur Schreie. «Ich sah, wie drei Polizisten den Mann festhielten, während zwei andere mit den Fäusten auf den Rücken und den Kopf des jungen Mannes schlugen.» Eine Polizistin sei derweil Schmiere gestanden und habe die Passanten aufgefordert, nicht stehen zu bleiben.

Giger ist schockiert. Sofort zückt er sein Mobiltelefon und beginnt von der anderen Strassenseite aus zu filmen. «Ich dachte, ein solches Vorgehen muss dokumentiert werden», erzählt er. Der Bündner filmt laut eignen Angaben zwischen zwei und vier Minuten. Plötzlich spürt er einen Faustschlag im Rücken. Der 38-Jährige erschrickt. Offenbar sei ein Polizist unbemerkt von hinten an ihn herangetreten.

«Verpiss dich du Wixer, sonst gibts Pfeffer!»

Jetzt geht alles sehr schnell. Giger wird festgehalten, die Polizistin von der anderen Strassenseite kommt zu ihm und nimmt ihm sein Handy weg, wie er erzählt. Daraufhin sei sie zu den anderen Polizisten gesprungen und habe denen das Video gezeigt. Worauf diese die Beweisaufnahme gelöscht hätten. «Schliesslich hat mir ein Polizist das Telefon mit den Worten zurückgegeben: Verpiss dich du Wixer, sonst gibts Pfeffer!»

Der 38-Jährige behält die Fassung und fragt nach dem Namen des Polizisten. Meier sei sein Name, habe dieser geantwortet. «Daraufhin fragte ich, und wie weiter? Meier gibt es ja viele.» Doch der junge Polizist habe sich nicht mehr weiter auf das Gespräch eingelassen. Trotzdem gelingt es Giger einen Blick auf das Namensschild des Polizisten zu erhaschen: «Da habe ich gesehen, dass er nicht Meier, sondern M.* heisst.»

Stadtpolizei Zürich will Vorwürfe abklären

Der Stadtpolizei Zürich lagen am Sonntagvormittag keine Informationen über einen solchen Zwischenfall vor, wie es auf Anfrage von 20 Minuten Online hiess. Polizeisprecher Marco Bisa sagte: «Wir müssen jetzt sauber abklären, ob an den Vorwürfen etwas dran ist.» Die in Frage kommenden Polizisten könnten jedoch erst am Montag befragt werden, da sie nach dem gestrigen Nachteinsatz heute nicht im Dienst seien.

Giger reicht das nicht. Er will, dass sich die Justiz mit dem Fall beschäftigt. Deshalb hat er der Zürcher Staatsanwaltschaft ein E-Mail geschrieben, in welchem er den Sachverhalt aus seiner Perspektive erklärt. Gerne würde er dem Mann, der von der Polizei so hart traktiert wurde, vor Gericht beistehen, wie er sagt. Denn nie hätte er erwartet, dass die Polizei in der Schweiz so gewalttätig gegen einen Gefesselten vorgeht: «Ich dachte, so etwas gibt es nur in Amerika.»

* Name der Redaktion bekannt.

Verhaftungen unter schwierigen Bedingungen

Eines der grössten Probleme für die Polizei während der diesjährigen Street Parade ist der Alkohol- und Drogenkonsum gewesen. Teilweise hätten sich die Betroffenen kaum mehr auf den Beinen halten können, wie die Kantonspolizei Zürich am Sonntagvormittag mitteilte. Andere hätten sich nicht zuletzt auch gegen die Polizisten aggressiv verhalten. «Verhaftungen erfolgten teils unter schwierigen Bedingungen, da Unbeteiligte oder Personen aus dem Umfeld der Festzunehmenden sich gegen die Polizei stellten», heisst es in der Mitteilung der Polizei weiter. (rn)

«Die Polizei hat mir das Handy weggenommen und die Beweisaufnahmen gelöscht», erzählt Leser-Reporter Arno Giger.

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