«Zu schneller» Fussgänger vor der Richterin

Aktualisiert

Zürcher Justiz«Zu schneller» Fussgänger vor der Richterin

Laut Polizeirichter hat sich ein Fussgänger zu schnell über den Zebrastreifen bewegt und dadurch einen Motorradfahrer zu Fall gebracht. Freigesprochen wird er nun aber wegen eines Formfehlers.

von
Attila Szenogrady

Am Donnerstag musste sich das Bezirksgericht Zürich mit einem Fall mit grossem Seltenheitswert befassen. So sass für einmal kein Raser, Blaufahrer oder Velorowdy vor den Schranken. Mit einem heute 27-jährigen Bankangestellten musste sich ausgerechnet ein Zürcher Fussgänger wegen Verstosses gegen die Verkehrsregeln verantworten.

Motorradfahrer zu Fall gebracht

Unbestritten war, dass sich der Angeschuldigte am 9. Januar 2009 in der Zürcher Innenstadt aufhielt und um 18 Uhr mitten im dichten Feierabendverkehr auf der Uraniastrasse einen Fussgängerstreifen überquerte. Während auf zwei Spuren die Autos anhielten, bemerkte ein Motorradfahrer den Passanten zu spät. Der überraschte Lenker wollte ausweichen, stürzte dabei zu Boden und verletzte sich am Knie. Schon kurz darauf rapportierte die Polizei den Unfall und führte eine Einvernahme mit dem Passanten durch. Dieser gab an, dass er vor der Kollision über den Fussgängerstreifen gerannt sei.

Busse für Fussgänger

Der Rapport zog nicht alltägliche Folgen nach sich. So hatte sich nach der Auffassung des Polizeirichters der Fussgänger strafbar gemacht. Durch das Rennen auf dem Streifen habe er sich des unvorsichtigen Überquerens der Fahrbahn schuldig gemacht, lautete die Verfügung, die den Verzeigten mit einer Busse von 200 Franken belegte und ihm weitere Gebühren von weiteren 418 Franken auferlegte.

Verteidigung für Freispruch

Der Passant erhob Einsprache gegen den Schuldspruch und liess seinen Rechtsanwalt vor Gericht auf einen vollen Freispruch plädieren. Der Verteidiger kehrte den Spiess um und erklärte, dass der Motorrad-Halter den Vortritt seines Klienten auf dem Fussgängerstreifen missachtet habe. Der Passant habe sich völlig korrekt verhalten.

Das stärkste Argument lieferte der Anwalt jedoch im formellen Bereich. So habe es der einvernehmende Polizist unterlassen, den Angeschuldigten vor der Befragung auf seine Rechte hinzuweisen. Damit sei dessen erste Aussage, wonach er gerannt sei, nicht verwertbar.

Polizeifehler entlastet Passanten

Nach einer kurzen Beratung war der Fall für das Gericht klar. Wegen der Unterlassung der so genannten Miranda-Warnung (sie haben das Recht die Aussage zu verweigern oder einen Anwalt zu nehmen usw.) lag auch für die Richterin ein Polizeifehler vor. Womit die erste Aussage des Verzeigten als Beweismittel wegfiel. $

Hinzu kam, dass sich auch der Motorradlenker nur vorsichtig geäussert hatte. Der Fussgänger sei plötzlich vor ihm aufgetaucht, hatte er geschildert. Von einem Rennen des Passanten habe der Geschädigte jedoch nie gesprochen, sagte die Richterin, welche zwar noch keinen formellen Freispruch eröffnete, diesen aber klar in Aussicht stellte.

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