«Was luegsch so blöd?»
In Zürich schwebt das Opfer einer Prügelattacke noch immer in Lebensgefahr. Der junge Mann und seine Gruppe wurden von mehreren Tätern «angemacht», dann wurde losgeprügelt. Aber wie verhält man sich, wenn man selbst in eine ähnliche Situation kommt? Ein Ex-Polizist gibt Tipps.
Viele kennen die Situation, sie sitzen auf einer Bank oder gehen durch eine Strasse und werden von einem oder mehreren männlichen Jugendlichen gefragt, was sie dort zu suchen hätten. Varianten sind: «Warum schaust du mich an?», «Hast du was zu rauchen?», «Was luegsch?» oder ein Anrempeln im Vorbeigehen. Auch das Beleidigen der Freundin eines potentiellen Prügelopfers ist eine Art, die Auseinandersetzung mit ungleichen Kräfteverhältnissen zu provozieren. Oft erreichen die Schläger ihr Ziel eine Schlägerei zu provozieren. Entsprechende Schlagzeilen häufen sich in jüngster Zeit. Das müsste nicht sein.
Der ehemalige Polizist Markus Atzenweiler ist Verfasser des Buches «Kriminelle Gewalt - und plötzlich bist du mittendrin» und arbeitet als Sicherheitstrainer in Winterthur. Im Gespräch mit 20minuten.ch erläutert Atzenweiler, wie man auf die jugendlichen Gewalttäter reagieren soll, um drohende körperliche Übergriffe zu verhindern.
Herr Atzenweiler, wenn mich jemand fragt: «Hey, was luegsch blöd?» Was tue ich dann? Welche ist die beste Strategie, um Schlägen zu entgehen?
Sie signalisieren dem Aggressor, dass sie ihn bemerkt haben und wissen, dass von ihm eine Gefahr ausgeht. Gleichzeitig vermeiden sie jede Kommunikation und auch jeden Augenkontakt, bauen sie keinesfalls eine Beziehung zu ihm auf. Versuchen Sie, unbeschadet an ihm vorbeizukommen.
Das funktioniert doch nicht. Macht das jemanden, der auf eine Schlägerei aus ist, nicht noch wütender?
Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Leute in solch gefährlichen Situationen das normale Repertoire des sozialen Verhaltens abrufen und auf den Aggressor irgendwie eingehen. Das ist falsch. Der Aggressor fragt Sie ja nicht nach der Uhrzeit, sondern will zuschlagen. Dazu gibt ihm jede Art der Kommunikation Grund. Ob er noch wütender wird oder nicht, ist egal. Sein Ziel ist es zu prügeln. Daran ändern sie nichts. Sie können einen derart gewaltbereiten Menschen nicht in der ihnen zur Verfügung stehenden knappen Zeit therapieren.
Gut. Er prügelt also sowieso. Was tue ich, wenn ich nicht weg kann? Wie beispielsweise die Jugendlichen, die vergangene Woche auf einer Sitzbank an der Seepromenade verprügelt worden sind?
Vertrauen Sie auf Ihre Intuition. Der Grossteil der Opfer von gewaltsamen Übergriffen sagt im Nachhinein: «Ich wusste es irgendwie, ich hatte von Anfang an ein schlechtes Gefühl.» Sie spüren ja, wenn eine Gruppe oder ein Einzelner in aggressiver Absicht auf Sie zukommt. Dann gilt es, so schnell wie möglich Land zu gewinnen. Nicht panikartig flüchten, aber signalisieren: «Mit dir oder mit euch will ich nichts zu tun haben.»
Nochmal. Wenn es schon zu spät ist, keine Flucht möglich ist und ich nicht in den See springen will, was tue ich dann?
Klare Ansagen machen. Den Täter oder einen aus der Gruppe direkt ansprechen mit: «Stopp. Keinen Schritt weiter.» Gleichzeitig gilt es Distanz zu gewinnen und zu wahren. Immer zwei bis drei Meter zwischen sich und den Schläger bringen. Steht er 15 Zentimeter vor ihnen, ist es bereits zu spät. Halten sie die linke Handfläche vor und die rechte am Körper und stehen sie breitbeinig und stabil.
Und das wirkt?
Diese Abgrenzungsmechanismen funktionieren. Das funktioniert in den unterschiedlichsten Lagen auch gegen ganze Gruppen. Alles, was Sie tun, das nicht den Erwartungen des Täters entspricht, verunsichert ihn, bringt Sie aus der Opferrolle raus. Es ist zwar einfach, aber solche Angriffe sind genauso trivial und primitiv. Das ist das Gesetz der Strasse.
Maurice Thiriet, 20minuten.ch