Die Besetzung des Hardturmstadions

Aktualisiert

Die Besetzung des Hardturmstadions

Schon lange wurde die Aktion geplant, am Freitag war es soweit: Rund 200 Leute besetzten das stillgelegte Hardturmstadion. Am Wochenende sollen hier diverse kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Ein Stimmungsbericht.

von
Nuria Furrer

Die Besetzer aus der linken Szene treffen sich am Freitag um 18 Uhr an der Tramstation Hardturm und marschieren Richtung Hardturmstadion. Alle sind ganz still, die Nervosität steigt. Klappt die Aktion? «Wir sind optimistisch», sagt eine der Veranstalterinnen, «sonst würden wir diesen Aufwand nicht betreiben».

Beim Stadion angelangt öffnen ein paar vermummte Aktivisten im Eiltempo das Tor zum Stadion. Gut organisiert verteilen sich die Besetzer: jeder weiss, was er zu tun hat. Sofort wird Baumaterial – welches im Vorfeld in einer getürkten Baustelle vor dem Stadion deponiert wurde – hinein getragen und der Bau der «Brotäktschen» beginnt.

Das ganze Wochenende soll hier ein grosses Fest stattfinden, mit künstlerischen und kulinarischen Darbietungen, ausgelassenen Spielen, Konzerten und Partys – eine Gegenveranstaltung zur Euro 08.

Gummischrot und Verhaftungen

Nach nur sieben Minuten kommt Unruhe auf. Man hört Sirenen und schon kurz darauf die ersten Gummigeschosse. Vier Polizisten versuchen ins Stadion zu gelangen, werden aber von rund acht Aktivisten davon abgehalten, welche den Eingang verbarrikadieren. Ohne Vorwarnung schiessen die Polizisten aus nächster Nähe mit Gummischrot auf die Besetzter, die laut «bleibt friedlich!» rufen.

Viele werden durch das Gummischrot leicht verletzt. Vermittlungen zwischen den Aktivisten und der Polizei scheitern. Eine Vermittlerin wird sofort festgenommen. Kurz darauf wird ein Fotograf, der Versucht die Polizisten vom Schiessen abzuhalten, auf den Boden gedrückt und ebenfalls verhaftet (Interview). Auch seine Frau wird gewaltsam auf den Boden geworfen.

Nach ein paar Minuten beruhigt sich die Stimmung, der Eingang ist blockiert und die Polizei zieht sich vorerst zurück, um auf Unterstützung zu warten. Ein Polizist wird laut Aussage von Polizeisprecher René Ruf durch eine Flasche leicht verletzt.

Während sich immer mehr Polizisten vor dem Stadion aufstellen, geht drinnen der Bau weiter.

Plötzlich sieht man an einem anderen Eingang eine grosse Rauchwolke aufsteigen, viele Aktivisten rennen auf die Spielwiese, übergeben sich und spülen sich die Augen aus: Die Polizei versuchte mit Reizstoffgas vermutlich den Transport von Baumaterial zu verhindern.

Bis Sonntag geduldet

Um acht Uhr zieht sich die Polizei zurück. «Wir tolerieren die Besetzung vorerst und beobachten die Situation. Bis Sonntag muss das Stadion geräumt sein», so Ruf.

Immer mehr Leute strömen ins Stadion, bis 23 Uhr sind es rund 500 Personen. Mobile WC-Häuschen, Heuballen und anderes Baumaterial werden auf die Wiese transportiert, wo die Aktivisten immer noch mit dem Bau von Bars, Zelten und Varietés beschäftigt sind.

Schon bald wird das erste Bier ausgeschenkt und das erste Mameh serviert. Leute spielen Federball, Kinder amüsieren sich mit grossen Traktorreifen und eine Band sorgt für eine ausgelassene Stimmung. Der Beginn eines öffentlichen, kulturellen Anlasses – ohne Carlsberg und Uefa.

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