Dignitas hat Routine mit Seebestattungen

Aktualisiert

Ex-Chefin klagt anDignitas hat Routine mit Seebestattungen

Dignitas entsorge die Asche von Verstorbenen schon seit längerem im Zürichsee. Das behauptet die ehemalige Geschäftsführerin der Sterbehilfeorganisation und erhebt schwere Vorwürfe an die Adresse der Behörden.

Katharina Bracher
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Katharina Bracher

Es wäre die wohl grösste bekannte Massenbestattung im Zürichsee gewesen: Die Asche aus rund 20 Urnen wollten zwei Personen in den Zürichsee kippen, ehe sie vom Grundstücksbesitzer ertappt wurden (20 Minuten Online berichtete). Die beiden gaben sich als Mitarbeiter der Sterbehilfeorganisation Dignitas aus. Ihr Gründer Ludwig A. Minelli hat dazu bisher geschwiegen.

Für Soraya Wernli, die bis 2005 Geschäftsführerin von Dignitas war und seither gegen die Geschäftspraktiken ihres ehemaligen Arbeitgebers kämpft, ist jedoch klar: Seebestattungen gehören zum Geschäft von Dignitas. Und sie werden seit langem praktiziert.

Seebestattung statt Überführung der Asche ins Ausland

«Die eigene Asche im See bestatten zu lassen, wurde den Kunden sogar empfohlen», erinnert sich Wernli. Gegenüber 20 Minuten Online sagt sie: «Überführt man die Asche in der Urne ins Ausland, verursacht dies zusätzlich Kosten.» Offenbar sind viele Angehörige nicht bereit oder nicht dazu in der Lage, diese Kosten zu übernehmen.

«Jeder wusste, was in den Urnen war»

Dass Dignitas die Asche von Verstorbenen regelmässig im See bestattete, ist laut Wernli aber ein offenes Geheimnis. «Ludwig A. Minelli hat die Urnen jeweils auf der Post in Küsnacht abgeholt. Jeder wusste, was in den Gefässen war», sagt Wernli. Ausserdem habe sie in den vier Jahren, in denen sie als Kritikerin von Dignitas in der Öffentlichkeit auftritt, mehrere Behördenmitglieder über die Seebestattungen informiert.

Auch der damalige Ombudsmann und heutige SVP-Regierungsrat des Kantons Zürich, Markus Kägi, sei von ihr persönlich über den Sachverhalt informiert worden, sagt Wernli. Die Seebestattungen von Dignitas seien nicht nur «ein offenes Geheimnis», sie würden auch «im grossen Stil» betrieben.

Urnen müssen mit Werkzeug geöffnet werden

Dignitas-Gründer Ludwig A. Minelli selbst habe seine damalige Geschäftsführerin in die «Kunst» der Seebestattung eingeführt. Wernli erzählt, wie sie damals mit Minelli ans Seeufer in Küsnacht gefahren sei, um mit Werkzeugen die Urnen zu öffnen und die Namensplaketten zu entfernen. Wernli war nach eigenem Bekunden geschockt über diese Bestattungspraxis und weigerte sich von da an, an weiteren Seebestattungen teilzunehmen.

Die Gemeinde Küsnacht sagt auf Anfrage, dass man von den Seebestattungen nichts gewusst habe. SVP-Regierungsrat Markus Kägi war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Dignitas eckt vielerorts an

Spätestens Ende Juni 2009 muss Dignitas aus der ­Gewerbeliegenschaft in Schwerzenbach ausziehen, in der sie Menschen in den Tod begleitet. Nach einem Streitfall haben sich die Sterbehilfeorganisation und die vermietenden Firma Ifang Areal AG aussergerichtlich geeinigt. In Wetzikon, wo Minelli ein Haus in der Nähe eines Kindergartens erworben hat, ist diese Woche eine Petition gegen Dig-nitas eingereicht worden. Auch in Stäfa sorgten die Sterbehelfer Ende 2007 für Ärger, weil sie in einer Mietwohnung Personen in den Freitod begleitet hatten.

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