Hafturlaube im Kanton Zürich gestrichen
Unbegleitete Urlaube für verwahrte Straftäter im Kanton Zürich bleiben bis mindestens Ende 2006 gestrichen. Zu diesem Schluss kommt ein Bericht des Zürcher Regierungsrats. Betroffen sind neun Personen.
Bei sieben Personen wurde die Vollzugslockerung Ende August gestrichen, als der Fall eines 49-jährigen verwahrten Straftäters publik wurde. Er soll im Februar und März 2006 während eines Hafturlaubs im Kanton St. Gallen mehrfach versucht haben, Callgirls zu nötigen.
Zwei Personen hätten in der Zwischenzeit die Bewilligung für eine Vollzugslockerung erhalten, sagte Justizdirektor Markus Notter (SP) am Dienstag vor den Medien in Zürich. Sie hätten wegen des verfügten Moratoriums aber noch keinen unbegleiteten Urlaub absolviert.
Neue Beurteilungen
Die neun Inhaftierten werden derzeit von der Fachkommission des Ostschweizer Konkordates auf ihre Gemeingefährlichkeit geprüft. Dies werde noch mehrere Wochen dauern, sagte Notter. Parallel dazu werde eine standardisierte Risikoeinschätzung durchgeführt.
Das Amt für Justizvollzug (JuV) erarbeite derzeit seinerseits neue Standards für die Abwicklung unbegleiteter Urlaube, sagte Notter weiter. Die Standards werden voraussichtlich bis Ende 2006 vorliegen. Mit deren Inkraftsetzung könnten auch wieder unbegleitete Hafturlaube erfolgen.
Notter setzt zudem eine externe Expertengruppe aus den Bereichen Psychiatrie, Strafrechtspflege und Strafvollzug ein. Sie soll den vom JuV praktizierten Umgang mit gemeingefährlichen Tätern untersuchen.
Verweis für Amtschefin
Weil JuV-Chefin Beatrice Breitenmoser ihren Direktionsvorsteher Notter über den vermuteten Rückfall des Straftäters nicht rechtzeitig unterrichtet hatte, bekam sie einen schriftlichen Verweis. Auch einem weiteren JuV-Mitarbeiter wurde ein schriftlicher Verweis erteilt. Er hatte den Straftäter bei der Beschaffung einer Identitätskarte begleitet.
Von einer Kündigung wurde abgesehen. Es gebe keinen Grund, nicht weiter Vertrauen in die beiden Mitarbeiter zu haben, erklärte Notter. In beiden Fällen seien es einmalige Verfehlungen gewesen.
Für Alfred Heer, SVP-Fraktionsschef im Zürcher Kantonsrat, ist das Strafmass zu tief, wie er auf Anfrage erklärte. Er fordert den Rücktritt Breitenmosers. Es gehe nicht an, dass immer wieder neue Einzelheiten über den Fall via Medien an die Öffentlichkeit gelangten.
Kein Viagra verschrieben
Notter nahm an der Medienkonferenz auch zu einem Artikels des «Blicks» vom Dienstag Stellung. Gemäss Justizdirektor hat der Arztdienst der Strafanstalt Pöschwies dem 49-jährigen Mann zu keinem Zeitpunkt das Potenzmittel Viagra verschrieben.
Der Arztdienst entdeckte hingegen beim schwer an Krebs erkrankten Mann, dass auf einem extern ausgestellten Rezept die Namen von Krebsmedikamenten und Viagra standen. Die betreffende Klinik wurde laut Notter umgehend darauf aufmerksam gemacht, dass der Mann kein Viagra erhalten dürfte.
Weiterhin unklar bleibt jedoch, ob der Mann im Rahmen seiner Hafturlaube im Februar und März tatsächlich straffällig geworden ist. Eine entsprechende Untersuchung der St. Galler Behörden ist noch hängig.
(dapd)