Das Ende der Zürcher Pfahlbauer

Aktualisiert

Archäologische SensationDas Ende der Zürcher Pfahlbauer

Den Bronzezeit-Siedlungen am Zürcher Sechseläutenplatz hat das letzte Stündlein geschlagen. Werfen Sie einen letzten Blick auf die Stätte!

von
D. Galka und J. Bedetti

(Interview: Joel Bedetti, Video: Debby Galka)

Ende Januar ist die archäologische Sensation der letzten Jahre vorbei: Die Zementmischer fahren auf und werden die Reste der Pfahlbauer vom Sechseläutenplatz in Mulden kippen. Die Dörfer der Bronzezeit müssen einem unterirdischen Parkhaus Platz machen.

Als heute morgen die Medien zur letzten Besichtigung der Grabungsstätte beim Zürcher Bellevue gerufen wurden, bekamen sie einen Superlativ nach dem anderen um die Ohren geschmissen: «Jede Woche eine Sensation!» sei bei den Grabungen zutage gefördert worden, sagte der Zürcher Stadtrat André Odermatt. Einige der aussergewöhnlichen Fundstücke sehen Sie im Video unten.

Import aus Italien

Grabungsleiter Niels Bleicher erzählte von einem bisher unbekannten Pfahlbauer-Klebstoff, Edelstein-Importen aus Italien und einer Holztür, welche selbst nepalesische Medien auf den Plan rief. Für den Zürcher Kantonsarchäologen Beat Eberschweiler war das Projekt schlicht ein «Meilenstein für die Pfahlbauerforschung.»

Angefangen hatte alles im letzten März, als während den Bauarbeiten für das Parkhaus Opéra Überreste von Pfahlbauerdörfern zum Vorschein kamen. Die Stadt setzte einen neunmonatigen Baustopp durch und stiefelte eiligst eine 30-köpfige Archäologentruppe zusammen, welche mit Schaufel und Besel bewaffnet den stein- und bronzezeitlichen Untergrund absuchte.

Die tausende Jahre alten Fundstücke:

(Video: 20 Minuten Online)

Genug Kaffeemaschinen

Auch die Zahlen des archäologischen Grossprojekts tönen nach Superlativ: In 10 300 Kubikmetern Erde auf 2600 Quadratmeter fanden die Archäologen 20 000 Fundstücke sowie 20 000 Pfähle und entnahmen 2000 Bodenproben. Zu Spitzenzeiten arbeiteten 60 Forscher und Bauleute gleichzeitig. 10 000 Personen und 4000 Schüler besuchten die Grabungsstelle.

«Die Erwarungen wurden bei weitem übertroffen», sagte Stadtrat Odermatt. Gemäss dem Kantonsarchäologen Eberschweiler nimmt die Untersuchung der Holzstücke, Knochen, Waffen, Werkzeuge, Bodenproben und Pollenrückstände (wichtig für Klimaforschung) nochmals so viel Zeit in Anspruch wie die Grabung selbst. Die Auswertung, bei dem Stadt und Kanton zusammenarbeiten, wird selbst zur logistischen Herausforderung. «Wir müssen schauen, dass wir für alle die Leute genug Steckdosen und Kaffeemaschinen besorgen können», sagte Eberschweiler.

Familientrennung

Bis Ende Januar versuchen die rund 60 Archäologen in einem Endspurt noch möglichst viel Schätze zu bergen. Dann geht auch für sie eine Ära zu Ende. «Auch für erfahrene Profis stellte die Arbeit den Höhepunkt ihrer Karriere dar», sagte Grabungsleiter Niels Bleicher gegenüber 20 Minuten Online. Er werde so etwas wohl nicht nochmal machen können. In den neun Monaten sind die Archäologen und Bauarbeiter zu einer Familie geworden. Sie säuberten zusammen Hundeknochen und feierten Partys in der Ausgrabungsstätte. «Der Abschied wird schmerzhaft werden», sagte ein Teilnehmer.

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