«Das ist nicht unsere Tochter»

Aktualisiert

Mysteriöser Tod auf Koh Tao«Das ist nicht unsere Tochter»

Der Fall um die Belgierin, deren Leiche auf der Insel Koh Tao gefunden wurde, wird immer mehr zum Politikum. Jetzt hat die Familie die eigene Polizei eingeschaltet.

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Diese Aufnahme soll Elise kurz vor ihrem Tod auf Koh Tao zeigen. Ihre Mutter Michele aber ist sicher: «Das ist nicht Elise.»
Die Leiche von Elise Dallemagne war im Dschungel an einem Baum hängend gefunden worden.
Ihre Mutter Michele (l.) bezweifelt, dass ihre Tochter sich das Leben genommen hat. Sie hat jetzt die belgische Polizei und Behörden eingeschaltet.
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Diese Aufnahme soll Elise kurz vor ihrem Tod auf Koh Tao zeigen. Ihre Mutter Michele aber ist sicher: «Das ist nicht Elise.»

Polizei Thailand

Die Leiche der Belgierin Elise Dallemagne war Ende April auf der thailändischen Insel Koh Tao gefunden worden. Während die Polizei von einem Selbstmord ausging und den Fall schnell ad acta legen wollte, zweifelte die Familie an der Selbstmord-Version, zumal es eine Reihe von Ungereimtheiten rund um den Tod der 30-Jährigen gab.

Jetzt ist der abschliessende Autopsiebericht herausgekommen, wie die «Bangkok Post» berichtet. Die Gerichtsmediziner in Bangkok gehen von Tod durch Ersticken aus, am Körper der jungen Frau stellten sie keine Spuren von Gewalt fest.

Polizei: Sie wollte sich schon einmal umbringen

Wie um dies zu untermauern, informierte die Polizei in Bangkok, Dallemagne habe bereits Anfang April versucht, sich in Bangkok das Leben zu nehmen. Sie habe vor einen Zug springen wollen, sei aber von Polizei und Passanten daran gehindert worden. Dann habe sie einem Polizisten die Pistole entreissen wollen und geschrien, man solle sie töten.

Die Familie will davon nichts wissen. Das seien «unbewiesene Mutmassungen», so Mutter Michele van Egten. Sie besteht darauf, dass Elise, die nur Tage vor der Heimreise nach Belgien stand, sich sehr auf ihre Rückkehr gefreut habe und alles andere als deprimiert gewesen sei.

«Das ist nicht Elise»

Die Polizei veröffentlichte jetzt auch Bilder einer Überwachungskamera, die Elise kurz vor ihrem Tod zeigten. Auch Mutter Michele sah diese und sagt dazu: «Das ist nicht Elise, das ist eine fremde Frau.» Ihre Tochter habe lange Haare gehabt, sei schlanker gewesen und habe einen andere Gang gehabt. Auch den Rucksack auf dem Video erkennt die Mutter nicht wieder: «Das ist nicht der Rucksack, den wir später von der Polizei auf Koh Tao ausgehändigt bekommen haben.»

Angesichts der von der Polizei befeuerten Selbstmord-Behauptungen hat Michele van Eugten jetzt das Auswärtige Amt in Belgien sowie die belgische Polizei eingeschaltet, schreibt «Der Farang».

Fall wird zum Politikum

Tatsächlich sind noch keine der vielen offenen Fragen rund um den Todesfall der Belgierin auch nur ansatzweise beantwortet: Wieso trug sie sich unter falschem Namen im Resort auf Koh Tao ein, war sie auf der Flucht vor jemandem? Wieso kaufte sie ein Ticket nach Belgien, wenn sie nicht gedachte, zurückkehren? Wieso wurde ihr Gepäck auf dem Festland gefunden? Wieso ist ihr Handy nicht mehr auffindbar?

Angesichts all dieser Fragen hat die thailändische Polizei den Fall jetzt noch einmal neu aufgerollt und Ermittler der Royal Thai Police auf die kleine Insel im thailändischen Golf geschickt.

In der Region wird der Fall immer mehr zum Politikum: Dass die Polizei erst Monate später über den Tod der Belgierin informiert hatte, handelte ihr den Vorwurf ein, den Tourismus über eine saubere Untersuchung zu stellen. Ihr Ruf ist seit dem Mord an einem britischen Pärchen auf Koh Tao ohnehin ramponiert: Auffallend schnell waren die mutmasslichen Täter gefunden worden. Die beiden Gastarbeiter aus Myanmar wurden zum Tode verurteilt, bestritten aber die Tat. Sie seien Sündenböcke gewesen, so Menschenrechtsaktivisten. So denken viele in der Region.

Kommt hinzu, dass die Behörden der Provinz Surat Thani im Zusammenhang mit der toten Belgierin jetzt die Lokalzeitung Samui Times verklagen: Diese hatte nicht nur als eine der ersten über den Fall berichtet und die Frage aufgeworfen, wieso die Polizei die Öffentlichkeit nicht informiert hatte. Wie die internationale Presse verwendete sie in ihrer Berichterstattung den Begriff «Mordinsel» für die Insel Koh Tao – ein No-go für die Behörden, die sich um Image und Tourismus sorgen.

«Zahlreiche Todesfälle unter den Touristen»

Dabei sei es nur «im Interesse eines jeden Besuchers der Insel, sich der zahlreichen Todesfälle unter den Touristen bewusst zu sein», wie die «Samui Times» in einer Stellungsnahme schreibt. Viele Angehörige von Todesopfern seien mit der Aufklärungsarbeit der Polizei unzufrieden und seien mit «mehr Fragen als Antworten» zu den Todesumständen zurückgelassen worden. «Die Samui Times glaubt, dass der Ruf der Insel nicht durch die Berichterstattung, sondern durch die hohe Anzahl von Todesfällen unter Touristen auf der Insel beschädigt wird», so die Zeitung weiter.

Tatsächlich gab es auf der 21 Quadratkilometer grossen Insel Koh Tao in den letzten sieben Jahren eine Reihe von mysteriösen Todesfällen, die die Polizei meist als Selbstmord klassifizierte:

• Januar 2014: Der Brite Nick Pearson (25) trieb leblos im Wasser. Er habe einen Sturz aus grosser Höhe nicht überlebt, so die Polizei auf Koh Tao. Die Leiche wies indes keine Verletzungen oder Knochenbrüche auf. Die Familie klagt, die Polizei habe keinen einzigen Zeugen befragt.

• Neujahr 2015: Die Leiche des Franzosen Dimitri Povse (29) wurde in dessen Bungalow auf Koh Tao gefunden. Er habe sich erhängt, so die Polizei. Doch Fotos der Leiche zeigen, dass seine Hände hinter dem Rücken zusammengebunden waren.

• Januar 2015: Die Britin Christina Annesley (23) starb, nachdem sie der Polizei zufolge Antibiotika und Alkohol gemixt hatte. Allerdings wurde kein toxikologischer Bericht angefertigt, und auch diese Familie des Opfers klagt, dass die Polizeiarbeit mehr als mangelhaft gewesen sei.

• 8. Januar 2016: Der Brite Luke Miller (26) trieb am Boden eines Swimmingpools auf Koh Tao. Die Polizei ging von einem Unfall aus, die Gerichtsmedizin fand keine Spuren für eine Fremdeinwirkung. Die Familie blieb dennoch skeptisch, allein, weil sie «immer wieder eine andere Version» zu den Todesumständen von der Polizei erhielt.

• März 2017: Die Russin Valentina Novozhyonova (23) verschwand auf Koh Tao, als sie auf einen Tauchgang gehen wollte. Bis heute fehlt von ihr jede Spur.

Todesfälle gibt es nicht nur unter Touristen, sondern auch unter den Expats der Insel. Ein bekannter Fall ist der Mord an Virat Asavachin, dem Bruder des Besitzers der grössten Tauchschule der Insel, Ban's Diving School: Er wurde 2002 im kleinen Hauptort und am helllichten Tag erschossen. Bis heute wurde der Täter nicht gefasst, aber für die meisten Inselbewohner ist klar, dass die Thai-Mafia hinter dem Mord steckt – zumal die ganze Insel von mafiösen Strukturen durchzogen sei.

Touristeninseln in der Hand der Mafia

«Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele der thailändischen Touristen-Destinationen wie Phuket, Koh Samui und Koh Phi Phi von mächtigen Familien beherrscht werden», sagt die Britin Elaine Dickinson, die in Thailand wohnt. Sie würden bestimmen, welcher Strandverkäufer was verkaufen dürfe, verlangten Schutzgelder, auch von den grossen 5-Sterne-Resorts, oder seien in Menschenschmuggel involviert.

Dennoch sei Thailand eine mehrheitlich sichere Reisedestination, so Dickinson. Aber um Koh Tao mache sie seit der Häufung der Todesfälle «einen Bogen».

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