«Zuerst boten sie mir weiche Drogen an ...»

Aktualisiert

Vergewaltigungsopfer von Rotherham«Zuerst boten sie mir weiche Drogen an ...»

1400 Kinder sind im englischen Rotherham Sexualverbrechern zum Opfer gefallen. Zwei Mädchen erzählen, was sie durchgemacht haben - und bezeichnen die Behörden als Mittäter.

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Im friedlichen Rotherham sind zwischen 1997 und 2013 rund 1400 Kinder Sexualstraftätern zum Opfer gefallen.

Im friedlichen Rotherham sind zwischen 1997 und 2013 rund 1400 Kinder Sexualstraftätern zum Opfer gefallen.

Das Mädchen war zwölf Jahre alt, als es die Männer traf, die es im britischen Rotherham über Jahre hinweg missbrauchten. Heute ist das Opfer Mitte zwanzig. Die Geschichte der jungen Frau ist in den Untersuchungsbericht eingeflossen, den die Autorin Alexis Jay am Dienstag in Rotherham veröffentlichte.

Daraus geht hervor, dass die Täter in einem Zeitraum von 16 Jahren rund 1400 Mädchen und Jungen vergewaltigt und ausgebeutet hatten - während die Behörden tatenlos zusahen. Erst 2010 wurden Mitglieder einer fünfköpfigen Bande mit Wurzeln in Pakistan wegen Kindesmissbrauchs verurteilt.

«Das war alles nicht gratis»

Im Interview mit dem britischen Sender «Sky News» erzählt die junge Frau, die namentlich nicht genannt wird, was sie zwischen den Jahren 2002 und 2005 erlebte.

«Es hat fast wie ein Spiel begonnen», sagt sie. Sie sei mit ihren Freundinnen am Samstagnachmittag in den McDonald's oder in die Spielhallen im Stadtzentrum von Rotherham gegangen. Die Jungen aus ihrer Klassen hätten sie eines Tages einer Gruppe älterer Männer vorgestellt.

«Zuerst boten sie mir weiche Drogen an, kauften mir Zigaretten, luden mich in den McDonald's ein», erzählt das Opfer. «Später fand ich heraus, dass das alles nicht gratis war.» Sie sei sehr naiv gewesen, sagt die junge Frau. «Ich komme nicht aus einer zerrütteten Familie, ich wuchs in einem liebevollen Zuhause auf.»

Einer der Männer habe sie für sich ausgewählt. «Wir führten eine freundschaftliche Beziehung», so die Betroffene weiter. Eines Abends habe der Mann sie zum Hintereingang einer Markthalle geführt. «Das nächste, an das ich mich erinnere, ist, dass er über mir liegt und mich vergewaltigt.»

Ihr Peiniger sollte sie von da an, «einmal pro Woche vergewaltigen». Sie habe «Angst vor ihm und allen anderen Mitgliedern der Gang» gehabt. Der Mann habe sie gezwungen, Sex mit seinen Cousins zu haben. Es kam zu Gruppenvergewaltigungen mit bis zu fünf Männern. «Ich wurde wie ein Sex-Objekt von einem zu anderen herumgereicht.» Weigerte sie sich, wurde sie geschlagen.

Emmas Geschichte

Ähnlich tönt die Geschichte der heute 24 Jahre alten Emma. Im Interview mit der BBC erzählt auch sie von regelmässigen Vergewaltigungen und Drohungen. Mehrmals sei sie zur Polizei gegangen. «Ich habe die Kleider aufbewahrt, in denen ich vergewaltigt wurde, damit die Polizei genügend Beweismaterial hat.» Doch die Beamten hätten die Kleidungsstücke «verloren». Schliesslich habe die Polizei ihr geraten, ihre Anzeige zurückzunehmen, weil «mein Wort gegen das der Täter» stehe und diese «nie vor Gericht kommen» würden.

Der Untersuchungsbericht lässt weitere Opfer zu Wort kommen. Sie erzählen, wie die Täter sie mit Benzin übergossen und ihnen drohten, sie anzuzünden. Die Mädchen seien mit Waffen bedroht oder gezwungen worden, Vergewaltigungen anderer Mädchen mit anzusehen.

Viele Eltern - auch Emmas - hätten ihre Kinder Zuhause eingesperrt, um weiteren Missbrauch zu vermeiden. «Ich ging trotzdem aus dem Haus, weil ich keine Wahl hatte. Sie sagten zu mir, sie würden meine Mutter entführen und sie vergewaltigen, während ich zusehen müsste. Das wollte ich nicht zulassen», sagt Emma. Sie ist sicher, dass die Gangster ihr Haus überwachten.

«Ich wurde zwei Jahre lang missbraucht, bevor meine Eltern mich ausser Landes brachten.» Die Täter liefen jedoch noch jahrelang unbehelligt und frei herum.

Polizeichef bittet um Verzeihung

Im Skandal um sexuellen Missbrauch von 1400 Kindern im englischen Rotherham hat der früher für Kinderschutz zuständige Polizeichef der Region um Entschuldigung gebeten.

«Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute weiss, dann hätte eindeutig mehr getan werden können», sagte Shaun Wright am Mittwoch dem Sender Sky News.

Nachdem am Dienstag das Ausmass der sexuellen Ausbeutung in der nordenglischen Stadt bekannt geworden war, hatten mehrere Stadträte und die Labour-Partei seinen Rücktritt gefordert.

«Ich kann nur sagen, dass das für die Polizei in South Yorkshire höchste Priorität hat», sagte der Polizeichef. Das werde auch so bleiben, so lange er den Posten innehabe. Sein Amt niederzulegen, lehnte er ab.

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