700 Bulldozer machen Läden in Moskau platt

Aktualisiert

«Nacht der langen Bagger»700 Bulldozer machen Läden in Moskau platt

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion liess der Bürgermeister der russischen Hauptstadt die unliebsamen Pavillons an den Metro-Stationen zerstören. Die Ladenbesitzer stehen vor dem Nichts.

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Das Handy-Guthaben aufladen, Blumen kaufen oder sich die Haare schneiden lassen: Seit Jahren gehören die Dutzenden Pavillons und Kioske bei den Moskauer Metro-Stationen zum Stadtbild. Doch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion riss die Stadtverwaltung 97 Baracken ab. Die etwa 700 Bulldozer machten die Bauten dem Erdboden gleich. Am Dienstagmorgen standen die Besitzer vor einem Scherbenhaufen.

Der Bürgermeister der Stadt, Sergei Sobjanin, begründet das Vorgehen mit der Beseitigung von Gefahren. Die meisten der Bauten seien seit dem Ende der Sowjetunion 1991 wohl mit der Hilfe korrupter Beamter entstanden, sagte Sobjanin. Zudem müssten sich die Moskauer, die zur Metro wollen, mit Zuständen wie an Basaren herumschlagen. Die Stadt werde daher weiter dagegen vorgehen.

15'000 Betroffene

Auch die Stadtverwaltung verteidigte ihren Schritt gegen Kritik etwa von Bürgerrechtlern: «Die Buden standen illegal auf Gasleitungen und Stromkabeln», sagte Sergei Schogurow vom Bauamt. Die Kommune habe die Massnahme angekündigt.

Menschenrechtler äusserten sich skeptisch. Die «Buden-Kultur» sei ein Teil Moskaus, sagte der Sprecher einer Bürgerinitiative. Kritik kam auch von den Kommunisten. Für viele Finanzschwache sei ein solcher Kiosk die einzige Einnahmequelle für die ganze Familie. Rund 15'000 Menschen seien von der Zerstörungsaktion betroffen, berichtet die NZZ unter Berufung auf einen Verbandsvertreter für Moskauer KMU. Nicht nur die Ladenbesitzer würden geschädigt, auch die Angestellten oder die Lieferanten bekämen so Probleme.

«Moskau wird nie wieder sein wie zuvor»

Bürgermeister Sobjanin versprach, die Ladenbesitzer könnten an einem anderen Ort eine neue, legale Existenz aufbauen. Wann und an welchem Ort, ist aber unklar. Auch über eine mögliche finanzielle Hilfe verlor er kein Wort.

Auf Twitter betrauern derweil die Einwohner Moskaus das Ende der Pavillons. Unter einem Hashtag, der auf Deutsch übersetzt «Nacht der langen Bagger» bedeutet, wurden Dutzende Bilder veröffentlicht. Ein Mann twitterte: «Wir befinden uns mitten in einer Wirtschaftskrise. Diese Menschen verlieren ihre Lebensgrundlage.» Eine weitere Nutzerin schrieb: «Moskau wird nie wieder sein wie zuvor.» (dia/sda)

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