Deutliche ZunahmeWarum Piratensender in den USA wieder blühen
Von Tanzmusik mit heissen Rhythmen bis zu kirchlichen Diensten: Piratensender sind auch heute in den USA überaus aktiv — trotz des Internets. Das hat einen Grund.

Jay Blessed aus Brooklyn, die eine eigene Online-Radioshow präsentiert, weiss, wieso Schwarzsender beim Publikum gut ankommen: «Die DJs reden über Dinge, die dich interessieren. Es ist interaktiv. Es bezieht dich ein.»
Keystone/AP/Bebeto MatthewsIm Zeitalter von Podcasts und Streaming-Diensten sollten Piratensender eigentlich zu den geringsten Sorgen von Gesetzgebern und Rundfunkveranstaltern zählen. Das Gegenteil ist der Fall - zumindest in den USA. Hier ist man zunehmend beunruhigt über die Schwarzsender, die in einigen Städten Frequenzen mit allem Möglichen belegen - von Tanzmusik à la Trinidad bis zu haitianischen Quiz-Shows. Beklagt wird, dass die zuständige Kontrollbehörde unfähig sei, den Piraten das Handwerk zu legen.
Dank kostengünstiger Technologien können die nicht lizenzierten Sender Gebiete von mehreren Quadratkilometern abdecken. Die meisten richten sich an Immigranten-Gemeinden, die, so sagen die Piraten, von genehmigten Sendern vernachlässigt werden. Jay Blessed, die vor mehr als einem Jahrzehnt von Trinidad in den New Yorker Stadtteil Brooklyn zog und eine eigene Online-Radioshow präsentiert, hat den Programmen diverser Schwarzsender zugehört. «Die DJs reden über Dinge, die dich interessieren», sagt sie. «Es ist interaktiv. Es bezieht dich ein.»
Alle gegen die Piraten
Im vergangenen Jahr haben fast drei Dutzend Kongressmitglieder aus dem Grossraum New York die Federal Communications Commission (FCC) aufgerufen, mehr gegen das «noch nie da gewesene Wachstum der Operationen von Piratensendern» zu tun, wie sie es formulierten. Die National Association of Black Owned Braodcasters, eine Vereinigung schwarzer Rundfunkveranstalter, schloss sich an. Sie argumentiert, dass die Piraten genehmigten Minderheitensendern das Wasser abgrüben und zugleich Verbraucherschutz-Gesetze etwa gegen falsche Werbung ignorierten.
Die New York State Broadcasters Association schätzt, dass allein im Gebiet von New York City 100 Piraten operieren, mit Sendungen in verschiedenen Sprachen von Hebräisch bis Spanisch. Viele strahlen auch in und um Miami und Boston aus. Die FCC denkt über verschiedene Lösungen nach, etwa Strafen für Anzeigenwerber in Piratenprogrammen.
Mehr Sender, aber weniger Bussen
In den vergangenen Jahren ist die FCC immer weniger gegen Piraten vorgegangen. Das macht reguläre Rundfunkveranstalter besorgt. Die Behörde sprach im vergangenen Jahr in mehr als 100 Fällen Verwarnungen aus oder verhängte Geldbussen. 2010 etwa waren es über 400. Ein drastischer Rückgang trotz einer «deutlichen Zunahme» der Zahl der Piratensender, wie David Donovan von der Vereinigung der Rundfunkveranstalter im Bundesstaat New York sagt.
FCC-Chef Tom Wheeler verweist auf ein geschrumpftes Budget seiner Behörde und den kleinsten Mitarbeiterstab seit 30 Jahren. Ohnehin, so fügt er hinzu, reichten Bussen oder die Beschlagnahme von Ausrüstung nicht aus, weil sich Piraten oft weigerten zu zahlen und rasch konfiszierte Transmitter und Antennen durch neue ersetzten. Das ist kostengünstig: Für umgerechnet rund 660 Euro könnten sie Ausrüstung für Sendungen in einem Radius bis zu gut drei Kilometern kaufen, sagen Experten.
Als ein Mittel gegen die Piraten hat die FCC versucht, mehr unterrepräsentierte Gruppen dazu zu bewegen, lizenzierte Low-Power-FM-Radiosender auf Gemeindeebene zu schaffen. Aber das hat seine Grenzen. Mit Hilfe eines speziellen FCC-Programmes sind zwar seit dem Jahr 2000 etwa 1500 solcher Stationen mit einer Reichweite von rund 5,5 Kilometern entstanden, aber in städtischen Gebieten mit dichten Radiomärkten gibt es weniger Gelegenheiten. Und wer schon einmal als Pirat entlarvt worden ist, darf sich nicht beteiligen.