EnthüllungsbuchWalt Disney und die üblen Tricks der CIA
Disney World ist eine der grössten Attraktionen in Florida. Ein Buch beleuchtet die dunkle Seite seiner Entstehung – und wie Gesetze und Verfassung bis heute ausgehebelt werden.
Beim Wort Florida denken viele an den weissen Strand von Miami, die Alligatoren der Everglades oder Mickey Mouse in Disney World. Dass der «Sunshine State» auch eine Geschichte hat, ist für die Wenigsten ein Thema – bis sie «Finding Florida» lesen. Termingerecht zum 500. Jahrestag von Floridas Namensgebung erschienen, räumt das Buch des Starjournalisten T.D. Allman kompromisslos mit den sonnigen Mythen auf, die der viertgrösste US-Gliedstaat über sich selbst verbreitet.
Allmans Historie durchzieht eine Abfolge von Generälen, Politikern und Kapitalisten, die Florida seit Anfang des 16. Jahrhunderts beherrschten, die Urbevölkerung massakrierten und Sklaven ausbeuteten. In seiner Schurkengalerie findet man auch Walt Disney, den Trickfilm-König und Erfinder der modernen «Theme Parks». Allman deckt auf, mit welchen Tricks Disney rund 100 Quadratkilometer Land bei Orlando zu einem Spottpreis erstand und warum auf dem Disney-Territorium Floridas Gesetze und die US-Verfassung nur beschränkt gelten.
Land zum Spottpreis abgeluchst
Wie alle Käufer wollte Walt Disney so wenig wie möglich für das Land zahlen, auf dem er seinen Vergnügungspark errichten wollte. Um sein Vorhaben den ahnungslosen Landbesitzern zu verheimlichen, machte er sich Mitte der 1960er Jahre die Dienste von William Donovan zunutze, dem früheren Chef des Geheimdiensts CIA. «Wild Bill» Donovan, ein Geheimdienstler durch und durch, beauftragte seine Anwaltskanzlei, CIA-Agenten mit Tarnidentitäten zu versehen und von einer geheimen Kommandozentrale aus eine Desinformationskampagne zu lancieren. So hatten die Eigentümer keine Ahnung, wer ihnen ihr Land für läppische 500 Dollar pro Hektare abluchste.
Laut Allman wandte Disney auch nach dem Kauf CIA-Methoden an, als es darum ging, das neue Reich der möglichen Kontrolle durch staatliche Behörden zu entziehen. Federführend sei Paul Helliwell gewesen, der für die CIA Amerikas Geheimkrieg in Indochina angezettelt hatte und dann nach Miami umzog, um gegen Kubas Fidel Castro zu intrigieren. Helliwell machte auf Disney-Land, was der Geheimdienst sonst in fernen Ländern zu tun pflegt: Er errichtete ein Marionettenregime, das dem Unternehmen bedingungslos verpflichtet war.
Einwohner ohne Stimmrecht
In Florida erfand er 1967 die Kunststädte Bay Lake und Lake Buena Vista, beide benannt nach zwei grossen Reservoirs, die Disney zur Entwässerung des Parkgeländes flutete. Auf dem Papier waren die zwei Gemeinden Städte wie alle anderen in den USA. Doch die politische Kontrolle übten «handverlesene Disney-Loyalisten» aus, die ihrerseits alle Entscheidungen der Konzernmanager absegneten. Mit eiserner Disziplin sicherten die Pseudo-Volksvertreter Steuerprivilegien und andere Ausnahmeregelungen für Disneys Reich.
Um zu verhindern, dass künftige Bewohner an den Verhältnissen rütteln, verlangten die zwei Städte von allen gewählten Politikern, dass sie auf Gemeindegebiet Land besitzen. Grundeigentum als Voraussetzung für politische Ämter – diese von den Disney-Anwälten ausgedachte Regelung ist klar verfassungswidrig. Doch das Staatsparlament in Tallahassee habe sie abgesegnet, ohne sich um solche Details zu kümmern, schreibt Allman. Als der Disney-Konzern drei Jahrzehnte später die künstliche Idealsiedlung Celebration bauen liess, wurden ihre Bewohner – wiederum mit Einverständnis des Gliedstaats – ihres Stimmrechts beraubt. Keine neuen Mehrheiten sollten das Disney-Regime in Frage stellen.
Ein Modell macht Schule
In Allmans Augen erfanden Disney und seine Nachfolger «ein Geschäftsmodell, basierend auf öffentlichen Subventionen und privatem Profit, bei dem die Unternehmen Immunität von den Gesetzen, Regulierungen und Steuern geniessen, die für normale Menschen gelten». Allman schreibt, dieses Modell sei zunehmend kennzeichnend für die Wirtschaft der Vereinigten Staaten. Dass seine Verfassungswidrigkeit bis heute nicht aufgeflogen sei, liege nur daran, dass noch niemand vor Gericht dagegen geklagt habe.
Offenbar lebt es sich für viele zu schön im «Sunshine State» mit Disney World als Motor für den Tourismus. Das idealisierte Bild eines harmonischen Florida leuchtet weiterhin – auch wenn T.D. Allman alles tut, um es anzukratzen.