Zuhälter pflanzt Frau Chip in Hüfte ein

Aktualisiert

Moderne SklavereiZuhälter pflanzt Frau Chip in Hüfte ein

Eine Frau kommt in den USA in die Notfallstation: Sie behauptet, ihr sei ein Ortungs-Chip eingesetzt worden.

gux
von
gux

«Ich trage einen Ortungschip in mir!» – Als Dr. A.* die Notiz las, die die Frau dem Notfallarzt in einem US-Spital zugesteckt hatte, war er zunächst genervt. «In unserem Spital sind Patienten mit einer psychischen Störung so häufig wie Sand am Meer.» Und doch war etwas an dieser Frau anders: Sie wirkte gefasst, klar im Kopf, als sie auf einen kleinen Schnitt an der Seite ihres Oberkörpers zeigte.

Dr. A. entschloss sich, die Patientin zu röntgen. «Eingepflanzt in ihrer rechten Hüfte entdeckten wir ein kleines, metallenes Objekt, etwas grösser als ein Reiskorn. Es war unbestreitbar da. Sie hatte tatsächlich einen Chip in sich. Auf einmal wurde es ganz still in dem Raum der Notfallstation – und das will was heissen», erzählt der junge Arzt.

Die Frau war in ihren Zwanzigern. Es stellte sich heraus, dass ihr Freund sie zur Prostitution zwang – und ihr einen RFID-Chip unter die Haut gespritzt hatte. RFID bezeichnet eine Technologie für Sender-Empfänger-Systeme zur Identifizierung und Lokalisierung von Objekten und Lebewesen mit Radiowellen. Es geht dabei weniger um das Lokalisieren – das ist nur auf eine kurze Distanz möglich – als ums Identifizieren*. RFID-Chips werden so etwa bei Katzen und Hunden verwendet. «Jemand hatte sie gechipt, als wäre sie ein Haustier», empört sich Doktor A.

Zuhältern geht es dabei vor allem um eines: Macht und Kontrolle.

Zwangsprostitution als Form moderner Sklaverei

Das scheint kein Einzelfall zu sein, sondern Menschenhandel oder moderne Sklaverei. Diese hat viele Formen, sei es in der Sexindustrie, der Verarbeitungsbranche oder in Privathaushalten. Immer geht es darum, Menschen – meist Frauen – gegen Profit auszunutzen und totale Kontrolle über sie auszuüben.

Eigentlich ist es Aufgabe von Polizei und Behörden, Opfer von Zwangsprostitution zu befreien. Doch wie das von der University of Southern California unterstützte Portal Marketplace.org schreibt, kommt gerade den Notfallärzten und dem Pflegepersonal in Spitälern eine zunehmend wichtige Rolle zu. Denn sie sind es, die direkten Kontakt zu Opfern gerade von Zwangsprostitution haben. So belegt eine Studie der Universität Chicago, dass 88 Prozent der sexuell ausgebeuteten Personen früher oder später die Notfallstation oder eine Klinik aufsuchen.

«Ein erschreckender Weckruf»

«Ich kann garantieren, dass ich mehr Opfer sexueller Ausbeutung untersucht habe, als mir in dem Moment bewusst war», sagt Wendy Macias, Aktivistin und Ärztin am Massachusetts General Hospital in Boston. Anders als die Behörden seien die Ärzte in der speziellen Lage, direkt mit den Opfern in Kontakt zu treten. «Schlepper und Zuhälter sind clever. Sie bringen die Opfer, ihre Ware sozusagen, von einer Stadt in die nächste. Ärzte müssen also reagieren, solange sie das Opfer vor sich haben», so Macias. Nur sei sich die Mehrheit der Ärzte nicht bewusst, dass sie es mit einem solchen Opfer zu tun haben könnten.

Aktivsten und Ärzte hoffen nun, dass der Fall der jungen Frau, bei der der Chip entdeckt wurde, die Ärzteschaft aufrütteln und sensibilisieren wird. «Es gibt so viele Science-Fiction-Filme, in denen jemandem ein Chip eingepflanzt wird. Aber das ist kein Film, das ist real. Für mich war das ein erschreckender Weckruf und ich hoffe auch für meine Kollegen im ganzen Land», sagt Dale Carrison vom University Medical Center in Las Vegas.

*Der Arzt, das Spital und die Stadt wurden aus Gründen des Patientenschutzes anonymisiert.

* Korrektur: In einer früheren Version wurde dies missverständlich dargestellt. (gux/20 Minuten)

Deine Meinung zählt