Wird das Rätsel um die Isdal-Frau jetzt gelöst?

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Geheimnis in NorwegenWird das Rätsel um die Isdal-Frau jetzt gelöst?

Eine Frauenleiche, die nie identifiziert werden konnte, ein mysteriöser Code in einem Koffer – die norwegische Polizei rollt ihren seltsamsten Kriminalfall wieder auf.

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Am 29. November 1970 fand ein Wanderer im norwegischen Isdalen die verbrannte Leiche einer Frau, die bis heute nicht identifiziert werden konnte. Das Opfer ist als Isdal-Frau bekannt.
Die Leiche lag neben einem abgelegenen Wanderweg in der Nähe der Stadt Bergen.
Neben der Leiche fand die Polizei eine Uhr, einige Schmuckstücke, einen kaputten Schirm und ein paar leere Flaschen. Die teilweise verbrannten Kleider lagen ebenfalls in der Nähe der Leiche, alle Etiketten waren sorgfältig herausgeschnitten worden.
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Am 29. November 1970 fand ein Wanderer im norwegischen Isdalen die verbrannte Leiche einer Frau, die bis heute nicht identifiziert werden konnte. Das Opfer ist als Isdal-Frau bekannt.

Wikipedia/Stephen Missal

Die Isdal-Frau gilt in Norwegen als eines der grössten Rätsel der Kriminalgeschichte. Am 29. November 1970 fanden ein Spaziergänger und seine beiden Töchter die nackte Leiche einer Frau neben einem abgelegenen Wanderweg in Isdalen in der Nähe der Stadt Bergen. Trotz intensiver Ermittlungen liess sich die Identität des Opfers nie klären. Jetzt will die norwegische Polizei den Fall mithilfe neuer Ermittlungsmethoden knacken.

• Eine verbrannte Leiche

Der mittlerweile pensionierte Polizist Carl Halvor Aas erreicht als Erster den Tatort. Er erinnere sich immer noch an den Geruch von verbranntem Fleisch, erzählt er dem norwegischen Nachrichtenportal NRK. Was ihn besonders überrascht: Die Leiche ist nur am vorderen Teil bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. «Die Leiche lag auf dem Rücken, als wäre die Frau nach hinten gefallen.»

Neben der Leiche findet die Polizei eine Uhr, einige Schmuckstücke, einen kaputten Schirm und ein paar leere Flaschen. Die teilweise verbrannten Kleider liegen ebenfalls in der Nähe des Körpers, alle Etiketten sind sorgfältig herausgeschnitten worden. Die Polizei hat sehr wenige Elemente, um das Opfer zu identifizieren. Sie weiss lediglich: Es ist eine 1,64 Meter grosse Frau mit braunen Haaren.

• Die erste Spur: Zwei Koffer am Bahnhof

Drei Tage nach dem Leichenfund entdecken die Ermittler zwei Koffer in der Gepäckablage des Bahnhofs Bergen. In den Koffern sind zwei Hautcremes zur Behandlung von Ekzemen, die Etiketten mit dem Namen des Patienten sind weggerissen worden.

Dann findet die Polizei eine Brille, mehrere Perücken, einige Teelöffel, Kosmetika und Schweizer sowie britische und belgische Münzen und deutsche und norwegische Geldscheine. In einem der Koffer liegt auch ein Zettel mit einem mysteriösen Code.

Es gibt jedoch in den Koffern keinen einzigen Hinweis auf die Identität des Besitzers. Die Ermittler sind sich allerdings sicher, dass sie der toten Frau aus Isdal gehören, weil ein Fingerabdruck auf der Brille zu den entnommenen Proben an der Leiche passt.

• Die heisseste Spur: Ihre Stiefel

Neben der Leiche liegen ein Paar blaue Gummistiefel. In einem der Koffer findet die Polizei eine Einkaufstasche eines Schuhladens in Stavanger. Als sie im Laden nachfragt, erinnert sich der Verkäufer daran, wenige Tage zuvor einer «gut aussehenden, sehr eleganten Dame mit dunklem Haar» die Stiefel verkauft zu haben. Sie habe Englisch mit einem Akzent gesprochen, weiss er noch.

• Eine Spur führt zur nächsten

Mit dieser Beschreibung des Zeugen fragen die Beamten in den Hotels der Region nach. Im St. Svithun in Stavanger hatte eine Belgierin, die die blauen Stiefel trug, unter dem Namen Finella Lorck eingecheckt. Wie sich aber herausstellte, war die Frau offenbar durch ganz Norwegen gereist und hatte in jeder Ortschaft einen anderen Namen benutzt. Da viele Hotels einen Pass beim Einchecken fordern, geht die Polizei davon aus, dass die Dame mehrere gefälschte Pässe mit sich führte.

Die Liste der Alias ist lang. Die Frau gab sich aus als:

- Genevieve Lancier aus Louvain. Sie wohnte im Viking Hotel in Oslo vom 21. bis 24. März 1970

- Claudia Tielt aus Brüssel wohnte im Hotel Bristol in Bergen vom 24. bis 25. März

- Claudia Tielt aus Brüssel wohnte im Hotel Skandia in Bergen vom 25. März bis am 1. April

- Claudia Nielsen aus Gent wohnte im KNA-Hotellet in Stavanger vom 29. bis 30. Oktober

- Alexia Zarne-Merchez aus Ljubljana wohnte im Neptun Hotel in Bergen vom 30. Oktober bis 5. November

- Vera Jarle aus Antwerpen wohnte im Hotel Bristol in Trondheim vom 6. bis am 8. November

- Finella Lorck wohnte im St. Svithun Hotel in Stavanger vom 9. bis 18. November

- Frau Leenhouwfr wohnte im Hotel Rosenkrantz in Bergen vom 18. bis 19. November

- Elisabeth Leenhouwfr aus Ostende wohnte im Hotel Hordaheimen in Bergen vom 19. bis 23. November

Den Hotelangestellten waren allgemein zwei Dinge aufgefallen: Die Frau benahm sich äusserst elegant, sie sprach gut Englisch, konnte aber auch Deutsch.

• Die ersten Schlussfolgerungen

Der rätselhafte Code im Koffer, die verschiedenen Namen – die Ermittler haben eine erste These: Bei der Toten muss es sich um eine Spionin handeln. Ist sie sogar eine Agentin des israelischen Geheimdienstes Mossad?

• War es Mord oder Selbstmord?

Im forensischen Institut der Universität Bergen wird die Autopsie an der Leiche durchgeführt. Die Mediziner finden Folgendes heraus: Die zwischen 25 und 40 Jahre alte Frau war zum Zeitpunkt ihres Todes nicht schwanger, sie hatte nie ein Kind geboren, sie war auch nicht krank.

Im Magen finden sie zwischen 50 und 70 Schlaftabletten, viele sind noch nicht in den Blutkreislauf gelangt. In den Lungen finden die Forensiker Rauchpartikel. Das bedeutet, dass das Opfer noch am Leben war, als es verbrannte und Kohlenmonoxyd eingeatmet hatte. Die Frau war mit Benzin angezündet worden.

Die Polizei spricht von Suizid, doch wie der frühere Polizist Aas jetzt erklärt, hätten damals nur wenige seiner Kollegen ernsthaft daran geglaubt.

• Zähne lügen nicht

Die Leiche wurde im Februar 1971 beerdigt. Im forensischen Institut der Universität Haukeland werden Gewebeproben und die Kiefer der unbekannten Frau aufbewahrt. Jetzt, wo der Fall wieder aufgerollt wird, spielen die Zähne des Opfers eine wichtige Rolle.

Die Isdal-Frau hat besondere Zähne: 14 sind plombiert, andere haben Goldkronen. Diese Art von Zahnreparaturen werden normalerweise in Norwegen nicht durchgeführt, schreibt NRK.

• Was will man jetzt erreichen und warum?

Die norwegische Kriminalpolizei rollt den Fall jetzt wieder auf, in der Hoffnung, mit den heutigen Ermittlungsmethoden neue Erkenntnisse zu gewinnen. Unter anderem wolle man Sauerstoff- und Strontium-Isotopen-Untersuchungen durchführen. Damit könnte man herausfinden, welches Wasser die Frau als Kind trank und welche Nahrungsmittel sie zu sich nahm.

Zudem könnten DNA-Tests an den Gewebeproben helfen, Verwandte des Opfers aufzuspüren. «Wir wollen herausfinden, wer diese Frau ist, damit ihre Familie endlich erfahren kann, was mit ihr passiert ist.» Seit NRK intensiv über den Fall berichtet, gingen bei der Zeitung 150 Hinweise ein. «Viele Norweger bewegt diese Geschichte noch heute. Und sie wollen damit abschliessen können», sagt NRK-Journalist Ståle Hansen.

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