Motelbesitzer bespitzelte seine Gäste beim Sex

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30 Jahre unentdecktMotelbesitzer bespitzelte seine Gäste beim Sex

Drei Jahrzehnte lang beobachtete ein Amerikaner nichtsahnende Menschen. Er baute dafür falsche Lüftungen in über ein Dutzend Zimmer seines Motels.

von
ofi
Das alte Strassenschild des Manor House Motels in Aurora, Colorado.

Das alte Strassenschild des Manor House Motels in Aurora, Colorado.

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Gerald Foos ist ein 81-jähriger Rentner aus Colorado. Er nennt sich selbst «Voyeur». Von 1966 bis 1995 betrieb Foos das Manor House Motel in der Stadt Aurora in Colorado. In diesen fast dreissig Jahren beobachtete er Tausende Gäste seines Etablissements heimlich und führte ein detailliertes Tagebuch über alles, was er zu sehen bekam – Sex, Streit, Drogenhandel und Schlimmeres. Niemals wurde er dabei erwischt.

1980 begann er seine Geschichte dem Journalisten Gay Talese zu erzählen. Dieser musste sich allerdings verpflichten, nichts davon zu veröffentlichen. 2013 beschloss Foos dann, dass seine «Studien zum Sexualverhalten», wie er seine Aufzeichnungen nennt, publiziert werden sollen. In «The New Yorker» hat Talese Auszüge aus seinem Buch über Foos, das dieses Jahr erscheinen wird, vorgestellt.

Das Motel

Vermutlich 1969 erwarb Gerald Foos das Manor House Motel und installierte in über einem Dutzend Zimmern falsche Lüftungen in der Decke über den Betten, durch die er von oben in die Räume sehen konnte.

Die Ehefrauen

Seine Frau Donna half Foos bei den Installationen, sie war von Anfang an Mitwisserin und begleitete ihren Mann auch manchmal bei seinen Beobachtungen. Gelegentlich hatten die beiden selbst Sex, während sie anderen Paaren dabei zusahen.

In den frühen 1980er-Jahren starb Donna. Gerald Foos lernte darauf seine zweite Frau Anita kennen, die genauso zur Mitwisserin und Komplizin wurde.

Die erste Beobachtung

Die ersten Personen, die Foos durch ein Decken-Guckloch beobachtete, waren ein 35-jähriges Ehepaar. Er war begeistert davon, wie viel er sehen konnte und schaute dem Paar bei seiner Abendroutine zu. Dabei kam es auch zum Sex zwischen den beiden, worüber der Motelbesitzer später schrieb: «Sie sind kein glückliches Paar. Er denkt nur an sich und hat keine Zeit für sie. Er hat keine Ahnung von sexuellen Abläufen und Vorspiel.»

Über die Jahre führte Foos detailliert Buch darüber, wie viele Menschen er beim Sex und bei ihren alltäglichen Problemen und Diskussionen beobachtete. Er führte Statistiken über die Art der Paare – Ehepaare, Seitensprünge, Dreier-Beziehungen, Homosexuelle – und sah seine Aufzeichnungen als Studien im Geiste des Sexualforschungsinstituts von Alfred Kinsey. Allerdings seien seine Erkenntnisse wertvoller, weil sie nicht in Laborsituationen oder durch Befragungen entstanden und damit authentischer und realitätsnaher seien.

Auch sah Foos seinen Voyeurismus nie als problematisch, wie Gay Talese schreibt. Weil die Beobachteten nie etwas davon mitbekamen und er alles geheimhielt, habe er niemandem je geschadet. Er sehe sich vielmehr als eine Art Sozialhistoriker, so Talese.

Der Mord

Einmal mietete ein junges Paar für mehrere Wochen ein Zimmer. Foos sah schnell, dass der Mann darin mit Drogen handelte, intervenierte aber nicht. Eines Tages spülte er alle Drogen, die er im vorübergehend verlassenen Zimmer fand, die Toilette hinunter. Der Drogenhändler beschuldigte seine Partnerin daraufhin, die Drogen gestohlen zu haben und würgte sie, bis sie leblos am Boden liegen blieb – Foos verfolgte die ganze Szene von oben, glaubte die Frau aber noch atmen zu sehen. Erst am nächsten Morgen, als das Zimmermädchen die tote Frau fand, alarmierte er die Polizei.

Ungereimtheiten

Über die Jahre schickte Foos dem Journalisten immer wieder Kopien seiner Tagebücher. Dabei stellte Talese fest, dass verschiedene Daten nicht ins Gesamtbild passten. So fand er zum Beispiel heraus, dass Foos das Manor House erst 1969 gekauft hatte. Ob er es allerdings davor bereits als Pächter führte, bleibt unklar. Talese zweifelte deshalb aber ernsthaft an einigen der Geschichten von Foos. So fragte er in dem Mordfall bei der Polizei nach, diese konnte in den alten Akten nichts dazu finden.

Zweifel

Gerald Foos sah sich selbst zwar als harmlosen Voyeur mit quasi wissenschaftlichem Interesse, über die Jahre zweifelte er sich selbst und seine Studienobjekte aber mehr und mehr an. «Voyeure sind Krüppel, von denen die meisten Menschen denken, sie seien fehlerhaft und unvollkommen», schrieb er einmal. Über die Menschen: «Die Leute sind grundsätzlich unehrlich und dreckig; sie betrügen und lügen und denken nur an sich selbst.»

Der Journalist

Gay Talese hinterfragte seine eigene Rolle in diesem obskuren Plot immer wieder. Er war Brieffreund, Beichtvater, Komplize eines geheimen Lebens. Mehrfach habe er gedacht, es wäre besser gewesen, die Korrespondenz zu beenden. Doch die Neugier obsiegte bei jedem Brief mit Tagebuchauszügen aufs Neue.

1995 verkaufte Foos das Motel schliesslich, weil er, von Arthritis geplagt, nicht mehr in der Lage war, in seinen Beobachtungsposten zu klettern. 2014 wurde das Haus erneut verkauft und wenig später dem Erdboden gleichgemacht. Von Gerald Foos' zweifelhafter Vergangenheit wussten damals einzig er selbst, seine zweite Frau und Gay Talese.

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