Wie ungarische Roma den Stolz entdecken sollen

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Mit WandgemäldenWie ungarische Roma den Stolz entdecken sollen

Mit einem ungewöhnlichen Projekt hofft eine Aktivistin, Geld in ein abgelegenes Roma-Dorf in Ungarn zu bringen. Das löst unterschiedliche Reaktionen aus – auch im Dorf selbst.

Pablo Gorondi
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Pablo Gorondi
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Roma-Künstler aus ganz Europa haben in Ungarn an einem einzigartigen Projekt mitgearbeitet: Im kleinen Dorf Bodvalenke fertigten sie auf den Aussenmauern von 33 Häusern riesige Wandgemälde. Diese haben Themen aus der Roma-Folklore zum Thema, ausserdem sind religiöse Szenen zu sehen, Porträts von Engeln etwa oder ein lächelnder Jesus. Andere Gemälde zeigen Ansichten aus dem täglichen Leben des Dorfs mit 230 Bewohnern.

Die weitaus meisten von ihnen sind Roma, und das Projekt soll ihnen helfen, Stolz auf ihre eigene Kultur zu entwickeln.

Ausserdem soll es Touristen anlocken, um der Region - einer der ärmsten Ungarns - wirtschaftlichen Aufschwung zu bringen. Und nicht zuletzt soll es Roma-Künstlern die Gelegenheit bieten, ihr Können zu zeigen.

Bodvalenke, um sich aus Armut zu befreien

Die Roma wurden von der Wirtschafts- und Finanzkrise ab 2008 in Ungarn besonders stark getroffen. In der kommunistischen Ära, die 1990 zu Ende ging, waren ihnen überwiegend niedrig qualifizierte Arbeitsplätze garantiert. Doch seither fanden es viele Roma, darunter auch die in dem Dorf nahe der Grenze zur Slowakei, schwer, ihren Platz in einer wettbewerbsorientierteren Gesellschaft zu finden. Die Hälfte der Bewohner in Bodvalenke ist jünger als 18 Jahre alt, und die meisten Erwachsenen sind arbeitslos und leben mehr schlecht als recht von staatlicher Unterstützung, die für viele von ihnen in den vergangenen Jahren halbiert wurde.

Das von Eszter Pásztor geleitete Projekt startete 2009. Damals begann sie, Roma-Künstler zum Malen in das Dorf einzuladen. Neben Künstlern aus Ungarn und zwei Kindergruppen schufen Roma-Maler aus Deutschland, Serbien, Polen und Grossbritannien in Bodvalenke die Wandgemälde. «Ein Ziel war, Vorurteile zu bekämpfen, indem wir zeigen, wie viel die Roma-Kultur unsere gemeinsame Kultur bereichert», sagt Pásztor. «Ausserdem wollten wir Bodvalenke helfen, sich aus tiefer Armut zu befreien.»

Bewohner haben Freude

Mit finanzieller Unterstützung von Stiftungen und Einzelspendern fand das Projekt kürzlich Arbeitsplätze für elf Bewohner in einem Unternehmen für Biotreibstoff. Pásztor hofft, noch Geld für eine bescheidene Infrastruktur für Touristen aufzutreiben, etwa für ein kleines Restaurant und eine Pension. Die meisten bisherigen Hauptarbeitgeber der Gegend - Steinbrüche, Kohlegruben und die Landwirtschaft - wurden geschlossen oder kommen mit weniger Arbeitskräften als früher aus.

Eines der grossen Gemälde, gefertigt von Gábor Váradi, erinnert an eine Reihe von Anschlägen gegen Roma in Ungarn 2008 und 2009, bei denen sechs Menschen ums Leben kamen. Im August wurden dafür drei Menschen zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt, ein vierter Angeklagter muss für 13 Jahre ins Gefängnis.

Der Korbflechter József Rusznyák sagt, ihm gefalle das Wandbild in seinem Garten, gemalt auf die Mauer des Nachbarhauses. «Das ist ein sehr schönes Gemälde, und das Dorf ist jetzt sehr schön», sagt Rusznyák vor «Engel im Flug» von József Horvath. «So war das Dorf früher nicht, es gab hier nichts.» Rusznyáks Lieblingsbild ist allerdings das von gegenüber der Strasse, auf dem der serbische Roma-Künstler Zoran Tairovic den Korbflechter verewigte.

Lieber «echte Jobs», statt «Farbe auf den Mauern»

Dennoch stösst das Projekt im Dorf auf unterschiedliche Reaktionen. In manchen Fällen brauchte es einige Überredungskunst, um die Bewohner dazu zu bringen, ihre Mauern bemalen zu lassen. Bürgermeister János Tóth beispielsweise bleibt skeptisch, ob wirklich nur wegen der bunten Wandgemälde Touristen in das abgelegene Dorf kommen werden. «Wir brauchen echte Jobs, keine Farbe auf den Mauern», sagt Tóth in seiner Destillerie mitten im Dorf. «Dieses Projekt ist tot.»

Pásztor hingegen glaubt unbeirrt an einen Erfolg ihres Projekts. Der Widerstand sei Teil eines örtlichen Machtkampfes in einem Dorf, wo die Ortsverwaltung mit 18 Angestellten der grösste und praktisch einzige Arbeitgeber sei. «Ich glaube, wir haben für die Verbesserung der Lebensqualität im Dorf sehr bedeutende Ergebnisse erzielt», sagt Pásztor.

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