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Totale FunkstilleDie letzten Minuten von Flug 4U9525

Der Kontrollturm in Aix-en-Provence verfolgte auf dem Radar den fatalen Absturz der Germanwings-Maschine. Die Fluglotsen mussten danach psychologisch betreut werden.

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Am 24. März 2015 stürzte eine Germanwings-Maschine in den französischen Alpen ab. 150 Personen kamen ums Leben.
Der Pilot Andreas Lubitz hatte das Flugzeug absichtlich abstürzen lassen.
Der Pilot hatten den Airbus 320 vor dem Crash absichtlich beschleunigt.
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Am 24. März 2015 stürzte eine Germanwings-Maschine in den französischen Alpen ab. 150 Personen kamen ums Leben.

Keystone/Guillaume Horcajuelo

Dienstag, 10.30 Uhr. Noch ist alles in Ordnung mit Flug 4U9525. Der Kontrollturm in Aix-en-Provence erhält die Bestätigung des Piloten der Germanwings-Maschine, dass er die Anweisung verstanden hat. «Germanwings Eins Acht Golf» (GWI18G), sagt dieser zum Schluss. Das sollte sein letzter Kontakt zum französischen Fluglotsen sein.

In einem Dokument, das die Flugsicherheitsbehörde Frankreichs an ihre deutschen Kollegen weiterleitete, ist genau nachzulesen, was sich die letzten zehn Minuten im Kontrollturm abgespielt hat. Vor dem Crash haben die Fluglotsen dreimal versucht, die deutschen Piloten zu kontaktieren – erfolglos.

Die Chronologie des Dramas:

10:31:02 Uhr: Das Germanwings-Flugzeug verlässt plötzlich und ohne Erlaubnis des Towers seine Reiseflughöhe von 12'000 Metern. Auf dem Radar sieht der Fluglotse, wie die Maschine einen rasanten Sinkflug beginnt: 17,8 Meter pro Sekunde.

Der Lotse versucht, Funkverbindung mit dem Piloten herzustellen. Dieser antwortet nicht.

10:35:08 Uhr: Der Flieger befindet sich auf einer Höhe von 7600 Metern. Jetzt versuchen die Mitarbeiter im Tower Kontakt über die internationale Notfrequenz herzustellen. Nichts.

In dem Moment erklärt die französische Flugsicherungsorganisation die international normierte Notstufe DETRESFA Distress Phase. Gleichzeitig löst sie einen Alarm bei der nationalen Leitstelle des französischen Such- und Rettungsdienstes aus.

10:36:47 Uhr: Der dritte Versuch des Towers, den Germanwings-Flug 4U9525 zu erreichen, erneut auf der internationalen Notfrequenz. Keine Antwort.

10:40 Uhr: Germanwings 4U9525 verschwindet vom Radarbildschirm. Die letzte angezeigte Flughöhe beträgt 1890 Meter.

10:42 Uhr: Die Flugsicherungsbehörde informiert die nationale Leitstelle des französischen Such- und Rettungsdienstes über das Verschwinden des Fliegers auf dem Radar.

10:49 Uhr: Zwei Militär-Helikopter des französischen Such- und Rettungsdienstes begeben sich in Richtung Unfallstelle. Sie richten sich nach den letzten Koordinaten, die der Radar gespeichert hat, denn ein Signal des Notsenders im Flugzeug – dem sogenannten Emergency Locator Transmitter ELT – bekommt der Rettungsdienst nicht.

11:10 Uhr: Die Piloten der beiden Militär-Helikopter melden sich. Sie haben die ersten Trümmerteile des Germanwings-Flug 4U9525 gesichtet.

Fluglotsen verfolgen den Sinkflug

Unter den 20 Fluglotsen im Kontrollturm herrscht unterdessen Fassungslosigkeit. «Wenn ein Flugzeug vom Radar verschwindet, wird einem sofort klar, dass ein Unglück passiert ist», erklärt Roger Rousseau von der Fluglotsengewerkschaft SNCTA gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. «Es ist ein Schock. Da gehen plötzlich Emotionen hoch.»

«Sobald die Fluglotsen den Sinkflug bemerkten, versuchten sie, die Piloten zu erreichen, um sie über ihren Kurswechsel zu informieren», beschreibt Rousseau die Situation im Tower. «Sie wissen dann, dass es an Bord ein Problem gibt, denn ein Pilot macht sonst so etwas nicht.»

Lotse nach Hause geschickt

Unterhalb des Airbus seien andere Flugzeuge geflogen. «Die Lotsen haben sie sofort umgeleitet und den Luftraum freigemacht.» Nur wenige Minuten später mussten sie alle hilflos zusehen, wie das Flugzeug auf dem Bildschirm verschwand.

Die beiden Lotsen, die Flug 4U 9525 betreuten, wurden nach dem Unfall sofort ersetzt. Dann sei ein Psychologen-Team für die gesamte Gruppe bestellt worden, sagt Rousseau am Schluss.

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