Für Italien will niemand mehr spenden

Aktualisiert

Nach dem ErdbebenFür Italien will niemand mehr spenden

Beim schweren Erdbeben am Dienstag in Norditalien starben 17 Menschen, Tausende wurden obdachlos. Die Katastrophenhilfe in Italien ist ein Kampf durch den Behördendschungel, wie das Beispiel L'Aquila zeigt.

von
D. Wild
Der Wiederaufbau in der Agglomeration rund um die Stadt L'Aquila läuft nur schleppend. Derweil wird die Innenstadt dem Zerfall überlassen.

Der Wiederaufbau in der Agglomeration rund um die Stadt L'Aquila läuft nur schleppend. Derweil wird die Innenstadt dem Zerfall überlassen.

Ein schweres Erdbeben und zahlreiche Nachbeben erschüttern diese Woche die norditalienische Provinz Modena – 17 Menschen starben, 14 000 sind obdachlos. Die Ereignisse erinnern an die Katastrophe im Jahr 2009 in den Abruzzen: Damals forderte ein Erdbeben 308 Menschenleben und zerstörte die Stadt L'Aquila. Die internationale Solidaritätswelle brachte Geld, aber keine Lösungen. Von den rund 7,7 Milliarden Euro für den Wiederaufbau wurden lediglich 570 Millionen Euro Hilfsprojekten zugeteilt. Dass ein Grossteil des Geldes von der Mafia unterschlagen wurde, ist wahrscheinlich.

Erich Ruppen von der Caritas Schweiz war damals vor Ort. Das Hilfswerk ist noch immer in L'Aquila tätig und agiert unabhängig von staatlichen Strukturen. Doch die Zusammenarbeit mit den Behörden ist mühsam. Der Wiederaufbau wird laut Ruppen verlangsamt oder unmöglich gemacht. Demenstprechend ernüchternd sind die Erfolge: Erst nächsten Herbst, dreieinhalb Jahre nach dem Unglück von L'Aquila, würden Betroffene in ein von der Caritas initiiertes Gemeindezentrum ziehen können - voraussichtlich.

Die Spenden bleiben aus

«In einem Drittweltland wäre das Gemeindezentrum nach einem halben Jahr fertig gewesen», so Ruppen. Die Katastrophenhilfe in Italien ist ein Kampf durch den Behördendschungel. Der Staat verlangte für den Bau zahlreiche langwierige Abklärungen. Deshalb würde sich die Caritas in Modena kaum mehr auf das Errichten neuer Gebäudestrukturen konzentrieren, sondern sich auf die dringendsten Grundbedürfnisse beschränken: Lebensmittel, Medikamente und psychologische Betreuung. Ruppen: «Dieses Mal würden wir einiges anders machen.»

Doch die Caritas Schweiz ist noch nicht vor Ort. Zum einen fehlt der Hilfeaufruf der Caritas Italien an die Schweizer Schwesterorganisation, zum anderen das Geld. «Seit dem ersten Beben in Norditalien ist erst eine Spende bei uns eingegangen», sagt Ruppen. Die Betroffenheit in der Bevölkerung und das Medieninteresse seien klein, obwohl das Erdbeben so nahe gewesen sei. «Grundsätzlich kommt die unmittelbare Hilfe bei einer solchen Katastrophe schnell, aber die Langzeitfolgen sind enorm», so Ruppen.

Das Elend liegt im Detail

Dies bekommt L'Aquila auch zu spüren, der Wiederaufbau läuft nur schleppend. Immerhin: Die Zeltstädte, die den Betroffenen als Notunterkünfte dienten, sind verschwunden. Viele Menschen sind zurückgekehrt, die Universitätsstadt wird wieder von Studenten bevölkert. Doch der Schein trügt. «Das Elend liegt im Detail», sagt Ruppen. Das Erdbeben zerstörte vor allem den wirtschaftlich wertvollen historischen Teil der Stadt. Dieser ist nach wie vor in einem desolaten Zustand. Die Fassaden sind rissig, viele Häuser unbewohnbar, das Geld und die Touristen fehlen.

«Sanierungen sind aufwändig und teuer, vor allem auch, weil die Innenstadt sehr eng gebaut ist», sagt Ruppen. Von den Behörden bekommen die Betroffenen keine Hilfe für Renovationsarbeiten und für einen Ausbau aus Eigeninitiative fehlt den Abruzzesen das Geld. Das lokale Gewerbe ist zerstört, die Altstadt wird noch für lange Zeit unbewohnt bleiben. Trotzdem: Das Leben in L'Aquila geht weiter. «Depression ist kein Lebenskonzept für die Italiener», meint Ruppen.

Ein Film zeigt L'Aquila im Jahr 2011. Die Betroffenen nehmen den Wiederaufbau selbst in die Hand:

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