Täter von MünchenHat sich David Ali S. an Türken gerächt?
Der Amokläufer von München beklagt sich kurz vor seinem Tod über Mobbing. Er könnte zumindest einige seiner Opfer mit einem Facebook-Aufruf in eine Falle gelockt haben.
Der junge Deutsch-Iraner David Ali S. tötet in München neun Menschen, verletzt viele weitere und richtet sich dann selber. In der Nacht stürmt die Polizei die Wohnung des Täters im Bezirk Maxvorstadt. Sie befindet sich an der Dachauer Strasse, eine der wichtigen Hauptstrassen mitten in München.
Dabei finden die Ermittler Zeitungsartikel zu Amokläufen und ein Buch mit dem Titel «Amok im Kopf – Warum Schüler töten». Der 18-Jährige habe sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, sagte Polizeipräsident Hubertus Andrä am Samstag an einer Medienkonferenz in München. Hinweise auf eine Verbindung zum IS oder zu anderen Terrororganisationen fand die Polizei hingegen nicht. Sie geht deshalb von einem Amoklauf ohne jeden politischen Hintergrund aus. Der junge Mann war zuvor polizeilich nicht aufgefallen. David Ali S. wurde in München geboren und wuchs dort auf.
Die Polizei sagt: «Der Täter soll sich in psychiatrischer Behandlung befunden haben. Der junge Mann soll an Depressionen gelitten haben, was ins Bild der Tat passen würde.» Das müsse aber im Detail und in Ruhe noch genau abgeklärt werden. Das Motiv sei zurzeit weiter unklar.
Mögliche Facebook-Falle
Die Polizei bestätigte an der Pressekonferenz auch, sie prüfe einen Facebook-Aufruf. Wie unter anderem die «Süddeutsche Zeitung» zuvor geschrieben hatte, steht folgender Verdacht im Raum: Hat der 18-Jährige über Facebook absichtlich Menschen zum McDonald's am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) gelockt?
Der offensichtlich mit guten Computerkenntnissen ausgestattete 18-Jährige hackte nämlich nach den Erkenntnissen der Polizei den Facebook-Account eines Mädchens mit dem türkischen Namen «Selina Akim». «Kommt heute um 16 Uhr Meggi am OEZ», schrieb er dort – Meggi ist Jugenddeutsch für McDonald's. Die vermeintliche Einladung verstärkte er mit der Ankündigung, etwas zu spendieren.
Das Profil des Mädchens wurde nun gesperrt. Laut der Polizei ist es gut möglich, dass der Täter andere Menschen anlocken wollte. Noch habe man es nicht vollständig verifiziert.
Angeblich von Türken und Arabern gemobbt
Die «Bild»-Zeitung berichtet, S. habe sich an seiner Schule von Türken und Arabern gemobbt gefühlt. S. selber beklagt sich in einem Video, das ein Passant kurz vor S.' Tod aufnahm, er sei sieben Jahre lang gemobbt worden. Dann fährt er fort: «Jetzt musste ich mir eine Waffe kaufen, um euch alle abzuknallen.»
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft will dieses konkrete Mobbing zunächst nicht bestätigen. Er spricht aber davon, dass es «Anhaltspunkte» für solche Schulprobleme gebe. Unter den neun zum grossen Teil jugendlichen Opfern waren auffällig viele mit ausländischer Herkunft. Alle lebten zwar in München oder Umgebung. Drei waren Kosovo-Albaner, drei waren Türken und einer Grieche. Unklar ist, ob sie zum Teil in eine perfide geplante Falle des Amokschützen liefen.
S. hätte die Tat dann wohl schon länger geplant. Dafür spricht auch, dass er sich auf bisher ungeklärtem Weg illegal eine 9mm Glock-Pistole besorgte. Die Seriennummer war aus der Waffe ausgefeilt. Ausserdem hatte er 300 Schuss Munition in einem Rucksack bei sich. Zu dem Zeitpunkt, als er sich selbst das Leben nahm, befanden sich noch weitere Schüsse Munition im Magazin der Waffe.
Video hält Streit fest: «Ich bin Deutscher»
In einem Video, von dem die Polizei annimmt, das es S. auf dem Dach eines Parkhauses in der Nähe des Tatorts zeigt, streitet dieser mit einem Unbekannten. Er sagt, er sei in einer «Hartz-IV-Gegend» aufgewachsen, also in einer Gegend mit vielen Sozialhilfebezügern.
Wüste Beschimpfungen und Schüsse: Der Täter im Streit. (Video: Youtube)
Der Deutsch-Iraner sagt im Video: «Wegen euch bin ich sieben Jahre lang gemobbt worden. Und jetzt musste ich mir eine Waffe kaufen, um euch alle abzuknallen.» «Seid Ihr jetzt zufrieden?» Die Person, mit der er sich im Wortgefecht befindet, beleidigt ihn als «Kanake». Der Mann auf dem Parkhausdach antwortet: «Ich bin Deutscher, hier aufgewachsen.» Dann gibt er sogar preis, er sei behandelt worden.
Trotz seiner iranischen Wurzeln wird bei S. über Fremdenhass spekuliert. Besonders auffällig nannte Polizeichef Andrä, dass die Tat von München genau am fünften Jahrestag der Tat des rechtsextremen Attentäters Anders Behring Breivik stattfand. Insofern liege eine «Verbindung auf der Hand». Der Norweger Breivik tötete 2011 in Oslo und auf der Insel Utøya aus rechtsextremen Motiven 77 Menschen.
Probleme in der Schule
Deutsche Medien berichten weiter, der Täter habe oft «Ballerspiele» am Computer gespielt und den Amokläufer von Winnenden verherrlicht. Aus Sicherheitskreisen hiess es zudem weiter, der Attentäter soll Probleme in der Schule gehabt haben. «Focus online» schreibt, der Täter sei am Tag der Tat durch eine Abschlussprüfung gefallen.
Die Ermittler müssen nun Abklärungen im Umfeld des Täters vornehmen, die Eltern waren in den Stunden nach der Tat aber noch nicht voll vernehmungsfähig. Schliesslich hätten sie vom Tod ihres Sohnes und seiner schrecklichen Tat erfahren müssen, wie Polizeipräsident Andrä an der Medienkonferenz erklärte.
«Er hat gelacht wie ein normaler Mensch»
In der Nähe des Wohnorts habe der Täter eine Schule besucht. Die Nachbarn hätten ihn noch gestern gesehen. Eine 40-jährige Nachbarin sagte der Nachrichtenagentur AFP: «Er war eine gute Person, ein guter Mensch.» «Ich habe ihn nicht einmal sauer gesehen, niemals habe ich Probleme mit der Polizei oder Nachbarn gehört.» Die aus Mazedonien stammende Frau fügte hinzu: «Er hat gelacht wie ein normaler Mensch.»
Der Nachbarin zufolge ist der Vater des 18-Jährigen ein aus dem Iran stammender Taxifahrer, die Mutter habe früher bei der Warenhauskette Karstadt gearbeitet. Der mutmassliche Täter hat demnach zudem einen jüngeren Bruder.
Die «Bild-Zeitung» zitiert einen Mann, der nach eigenen Aussagen «genau neben» dem Todesschützen lebt. «Ich habe ihn nur ab und zu gesehen und kannte ihn nicht wirklich. Ein Freund von mir war sein Klassenkamerad und sagt, dass er eher ein ruhiger Typ war», sagt der Mann. Sein Freund habe den Täter auf den Videos erkannt.