«Gomorrha»Saviano greift Mafia an - diesmal in Folgen
Die neue Serie «Gomorrha» nach dem Bestseller des Italieners Roberto Saviano beleuchtet das Innenleben der Savastanos, eines Mafiaclans aus Neapel. TV-Kritiker sind begeistert - ausser einer.
Der Italiener Roberto Saviano machte sich mit dem Buch «Gomorrha» im Jahr 2006 zum Mafia-Feind Nummer 1. Saviano enthüllte in seinem Roman das Innenleben eines Familienclans der Camorra aus Neapel. Im Jahr 2008 wurde die Geschichte verfilmt. Vergangene Woche wurde im britischen Fernsehen die TV-Serie erstmals ausgestrahlt, die ebenfalls auf den Saviano-Roman basiert.
Folge um Folge erzählt der Autor vom Geschäft der Mafia-Familie Savastano in heutigen Zeiten. Die alten Paten sind müde, die Jungen taugen nichts und die Frauen der Familie müssen sämtliche Aufgaben - auch die dreckigsten - selber übernehmen. Obwohl es keine Dokumentar-Serie ist, stammen alle Geschichten aus dem echten Leben in Vele di Scampia, einem einstigen Sozialbau-Vorzeigeprojekt im Norden Neapels, das heute verwahrlost ist.
Ausländische Kritiker sind begeistert, italienische weniger
Saviano selbst beschreibt das «Gomorrha»-Drehbuch im Interview mit dem «Telegraph» folgendermassen: «Ich will nicht arrogant erscheinen, aber diese Serie unterscheidet sich vollkommen von allen zuvorkommenden Mafia-Dramen im TV. Es hat nichts damit zu tun, wie die meisten Leute die Mafia sehen. Hier geht es um erbarmungslose Kriminelle, die zwischen Ratten leben. Hier gibt es kein Glamour.»
Diverse britische sowie deutsche TV-Kritiker haben für Savianos neustes Produkt nur Worte des Lobes. Der Spiegel-Kritiker beschreibt die Serie etwa als «grandios». In der Zeitschrift «Medienlandschaft» meint ein TV-Experte: «Keine Serie konnte das Wirken der Mafia in unserer heutigen Zeit beklemmender und packender inszenieren.» Ähnlich tönt es beim «Telegraph»: «Gomorrah erinnert uns daran, dass gutes Fernsehen nicht nur aus Skandinavien kommt.»
Nur der italienische TV-Blogger Angelo Petrella scheint von Savianos Mafia-Krimi nicht beeindruckt zu sein. In einem Interview mit «Corriere del Mezzogiorno» gibt er an, dass der Autor sich in seiner Serie widerspreche. «Saviano hat immer das Epos rund um die Mafia kritisiert. Er sagte, man müsse die Bandenbosse entmystifizieren. Doch seine Serie wirkt durchaus episch.»
Er würde «Gomorrha» nicht nochmal schreiben
Dennoch ist Savianos Mut zu würdigen: Der 34-Jährige lebt seit der Veröffentlichung des Buches unter Polizeischutz, weil die Mafia ihn deswegen zum Tode verurteilt hat. Vor einigen Monaten wurde er vom «Hamburger Tagblatt» gefragt, ob er «Gomorrha» nochmals schreiben würde. Die Antwort war vehement: «Auf keinen Fall, das war es überhaupt nicht wert. Dieses Buch hat mein Leben zerstört. Es ist wichtig zu berichten, keine Angst zu zeigen, sich nicht zum Schweigen bringen zu lassen. Aber genauso wichtig ist es, seine Strasse zum Glück zu verteidigen. Ich weiss nicht einmal mehr, wie ich die finden soll.»