Lawinen-KatastropheSchweizer bewachen den Unglückshang in Italien
Zwei Schweizer wurden nach Farindola gerufen, um einen hochspezialisierten Lawinenradar zu installieren. Er schützt die Rettungskräfte vor Folgelawinen.
Der Hilferuf kam am Freitag. Die italienischen Rettungskräfte am Unglücksort in Farindola, wo am Mittwoch eine Lawine das Hotel Rigopiano begraben hatte, stehen vor einem Problem: Wegen der schlechten Wetterbedingungen begrenzt sich die Sicht auf maximal 50 Meter – mögliche Folgelawinen können nicht früh genug erkannt werden. Das bringt die Einsatzkräfte, die immer noch nach Überlebenden suchen, in eine prekäre Lage.
Die Universität Florenz wusste, wer helfen kann. Sie standen schon vor dem Unglück in Kontakt mit der Schweizer Firma Geopraevent. Das Züricher Start-up hat einen Lawinenradar entwickelt, der Massenbewegungen aus einer Distanz von bis zu 2 Kilometern erkennen kann. Das Gerät funktioniert bei jeder Wetterlage, auch bei Regen, Nebel und Schnee – also genau denjenigen Witterungsbedingungen, die die Bergungsarbeiten in Farindola derzeit so schwierig machen.
Radar schlägt sofort Alarm
Nach dem Anruf aus Florenz fackelte Geopraevent nicht lange und schickte noch am selben Tag zwei Mitarbeiter nach Italien. Im Gepäck hatten sie ihren in der Schweiz entwickelten Lawinenradar. «Seit Samstagabend ist das Gerät erfolgreich im Einsatz», sagt Samuel Bohnenblust von Geopraevent zu 20 Minuten. Er und sein Kollege Bernhard Blattmann sind die beiden Schweizer Spezialisten, die den Radar unter grossem Zeitdruck oberhalb des verschütteten Hotels installiert haben. Sie sind voraussichtlich noch bis Dienstag an der Unglücksstelle.
Bohnenblust schildert die Situation vor Ort: «Der Nebel ist sehr dicht, es können keine Helikopter fliegen – ohne technische Hilfe kann man eine Folgelawine unmöglich detektieren.» Der an einem Baumstamm angebrachte Schweizer Radar schlägt sofort Alarm, wenn er eine Bewegung am Hang entdeckt, an dem die tödliche Lawine losgegangen ist: Es ertönt eine Sirene, ein Lichtsignal blitzt auf. «Die Rettungskräfte haben nach der Alarmierung rund eine Minute Zeit, sich in Sicherheit zu bringen», erklärt Bohnenblust.
Eine Minute entscheidet über Leben und Tod
Diese Minute entscheidet im Fall einer Folgelawine über Leben und Tod der Retter vor Ort. Genügend Zeit, sich in Sicherheit zu bringen, sagt Bohnenblust: «Etwa 100 Meter vom Lawinenkanal entfernt besteht keine Lebensgefahr mehr.» Sein Kollege, Radar-Ingenieur Blattmann von Geopraevent, checkt regelmässig vor Ort, ob das Schweizer Gerät einwandfrei funktioniert. Auch die Kollegen am Unternehmenssitz in Zürich können den Radar vom Computer aus überwachen.
Dass gerade eine Schweizer Firma um Hilfe angefragt wurde, hat gute Gründe: Die Technologie, die Geopraevent einsetzt, ist weltweit einzigartig. «Einer unserer grossen Wettbewerbsvorteile sind die All-Wetter- und die Nacht-Funktionalität», sagt Geschäftsführer Lorenz Meier im Gespräch mit 20 Minuten. Auch eine Fläche von bis zu drei Quadratkilometern überwachen könne nur der Lawinenradar von Geopraevent.
Ein Video zeigt, wie Überlebende aus den Trümmern des zerstörten Hotels gerettet werden:
Drei Tage nach der Lawine wurden elf Überlebende aus den Trümmern gerettet.