Werden wir dank neuer Medizin bald 115 Jahre alt?

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«Kampf gegen Alterung»Werden wir dank neuer Medizin bald 115 Jahre alt?

Die Pharmaindustrie interessiert sich je länger je mehr für die regenerative Medizin. Damit könnten unter anderem die degenerativen Prozesse der Alterung bekämpft werden.

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Eine der ältesten Schweizerinnen: Die 109-jährige Lucrezia Furceri (l.) im Altersheim Casa Giardino in Chiasso. (7. Mai 2016)
«Wir bekämpfen die degenerativen Prozesse der Alterung»: Chef des Zentrums für Regenerationsbiologie an der Universität Tübingen, Professor Konrad Kohler. Bild: TMZ Tübingen
«Wir forschen, wie man Muskeln, Seh- und Hörvermögen wie auch Knorpel regenerieren kann»: Novartis-CEO Joe Jimenez an einer Pressekonferenz in Basel. (27 Janaur 2016)
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Eine der ältesten Schweizerinnen: Die 109-jährige Lucrezia Furceri (l.) im Altersheim Casa Giardino in Chiasso. (7. Mai 2016)

Keystone/Davide Agosta/Ti-Press

«Ich glaube, dass sich die Lebenserwartung in den nächsten 20 Jahren dramatisch erhöht». Diese Prognose stellt nicht irgendjemand, sondern Novartis-Chef Joe Jimenez. Es sei der technologische Fortschritt, der ihn optimistisch stimme. «Wir haben eine Plattform für regenerative Medizin. Wir forschen, wie man Muskeln, Seh- und Hörvermögen wie auch Knorpel regenerieren kann», sagt Jimenez im Interview mit dem «Sonntagsblick».

«Lange lag die regenerative Medizin nicht im Interesse der Pharmaindustrie», kommentiert Professor Konrad Kohler. Der Mediziner leitet das Zentrum für Regenerationsbiologie an der Universität Tübingen in Deutschland. Die Pharmaindustrie habe aber das Potenzial der regenerativen Medizin erkannt und investiere massiv in ihre klinische Umsetzung. «In der Industrie setzt ein umdenken ein, man versteht langsam die Bedeutung der regenerativen und individualisierten Medizin», so der Forscher.

Gentherapie und Ersatzteile

Jimenez erklärt, wo aktuelle Projekte der Novartis ansetzen: «Ab dem 50. Lebensjahr regenerieren sich Muskeln nicht mehr selbst. Wir versuchen, diesen Effekt umzukehren. Dasselbe beim Hören. Mit dem Alter verliert man das Hörvermögen.» Novartis versuche, das mit einer Gentherapie umzukehren. «Die Stammzellen sollen stimuliert werden, damit sie Hörzellen vermehren.» Das funktioniere bereits bei Tieren, zurzeit würden Tests an Menschen durchgeführt.

Nebst dieser Idee der Regeneration gibt es noch einen anderen Ansatz. Ähnlich einer Autoreparatur werden dabei defekte oder abgenützte Zellen oder Gewebe durch im Labor gezüchtetes Material ersetzt. Idealerweise würden dazu Zellen des Patienten gebraucht, um so beim Einsetzen des neuen Materials Abstossungsreaktionen zu minimieren.

Beide Ansätze zielen aber auf dasselbe ab: «Wir bekämpfen die degenerativen Prozesse der Alterung», fasst Kohler zusammen.

«Maximale Lebenserwartung» steigt nicht mehr

Weder der Forscher noch der Novartis-Chef geben Schätzungen ab, wie alt Menschen mit diesen Technologien schlussendlich werden könnten.

Forscher des Albert Einstein College of Medicine in New York veröffentlichten dazu unlängst eine historische Studie im Wissenschaftsmagazin Nature, die aufzeigt, wie sich das durchschnittliche Todesalter der über-110-jährigen entwickelt hat.

Die Daten zeigen, dass sich das durchschnittliche Todesalter dieser Senioren seit Mitte der Neunzigerjahre nicht mehr verändert hat – es bleibt konstant bei 115 Jahren.

Daraus ziehen die Forscher folgenden Schluss: «Weitere Fortschritte im Kampf gegen Krankheiten und chronische Leiden können vielleicht die durchschnittliche Lebenserwartung anheben, aber nicht die maximale Lebenserwartung», sagt der Autor der Studie, Dr. Jan Vijg. Ob die medizinische Forschung nebst dem Durchschnittsalter auch dieses Tableau anheben mag, wird sich zeigen.

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