«Lost»«Gib mir nicht den Ben-Blick»
Er hat aus «Benjamin Linus» den perfekten Schurken gemacht. Doch was treibt ein Serienstar nach dem Serien-Aus? 20 Minuten Online hat bei Michael Emerson nachgefragt.
Wenn Sie nach dem Ende der im wahrsten Sinne des Wortes fantastischen US-Serie «Lost» Entzugserscheinungen haben, dürfte es Ihnen wie den beteiligten Schauspielern gehen: Von 2004 bis 2010 drehten die Helden des Fluges von «Oceanic 815» auf Hawaii an dem Mystery-Erfolg, bis das Rätsel um die Insel, das Rauchmonster und «die anderen» gelöst worden ist.
Wer das Finale verpasst hat, kann die sechste und letzte «Lost»-Staffel jetzt auf DVD und Blue-Ray erwerben: Aus diesem Anlass konnten zwei Schweizer Journalisten dem Ober-Fiesling aus der Serie einige Fragen stellen. Natürlich ist von «Ben Linus» die Rede, der in der zweiten Staffel seinen Bildschirm-Einstand feiert und dessen perfide Art seither nicht mehr aus dem Drama wegzudenken ist.
Gespielt wird Ben Linus von dem Amerikaner Michael Emerson, dessen Werdegang einen ähnlichen Zickzack-Kurs genommen hat wie die Entwicklung seines Alter Ego in «Lost». Anno 1976 schloss der damals 22-Jährige ein Kunst- und Theaterstudium in Iowa ab. Er zog nach New York, doch mit der Schauspielerei wurde es erstmal nichts: Statt auf der Bühne arbeitete Emerson als Verkäufer und Illustrator. Erst 1986, also zehn Jahre nach seinem Abschluss, ergatterte er erste Theater-Engagements und kleine Rollen.
Von der Randfigur zum perfekten Schurken
Seinen sicheren Brötchenjob als Lehrer, den er zu diesem Zeitpunkt angenommen hatte, gab er später zugunsten der Darstellerei auf und nahm selbst weiter Schauspiel-Unterricht. 1997 war er das erste Mal am Broadway zu sehen und bekam die ersten TV-Angebote. Dabei mimte er gerne den kaputten Typen wie in der Serie «The Practice», die von 2000 bis 2001 in den USA zu sehen war: Für seine Interpretation des Serienkillers William Hinks heimste Emerson nicht nur einen Emmy, sondern auch die Aufmerksamkeit der «Lost»-Produzenten ein.
Eigentlich sollte Emerson den Linus bloss für einige wenige Folgen spielen, doch er machte den Job derart gut, dass er zum festen Bestandteil der Crew wurde. «Die fast versehentliche Art, wie ich die Rolle bekommen habe und die unglaubliche Tragweite der Serie erinnern mich daran, dass du nie wissen kannst, wohin ein Job führt, sagt der 56-Jährige heute.
Ist Ben gut oder böse?
2006 begann er bei «Lost», ein Jahr später bekam er als bester Nebendarsteller schon einen Emmy-Award. 2008 war er ebenfalls nominiert, 2009 nahm er den Preis wieder mit nach Hause. Der Schauspieler selbst ist mit der Entwicklung von Ben mehr als zufrieden, berichtet Emerson dann auch den Journalisten aus aller Welt.
«Ich habe den Spannungsbogen geliebt und war besonders erfreut über Bens Ende im Finale. Es war feiner und befriedigender als alles, was ich mir hätte vorstellen können.» An der Geschichte von Benjamin Linus habe ihn besonders die Doppeldeutigkeit gereizt: «Wir sind nie sicher, ob er gut oder böse ist. Es ist den Fähigkeiten der Drehbuchautoren zu verdanken, dass das Publikum bei Ben bis zum Schluss nie sicher ein kann.»
Ehefrau: «Gib mir nicht den Ben-Blick»
Der Einstieg in Staffel zwei sei dann auch das schwerste an seinem Job gewesen, erinnert sich der TV-Bösewicht: «Ich war neu in der Serie und die meisten meiner Szenen waren recht gewalttätig. Als die Jahre vorübergingen, begann ich mehr Humor in Ben zu entdecken und habe es mehr genossen, ihn zu spielen.» Das Schwierige an der Darstellung seines Charakters sei dann auch nicht das Frostige oder Leidenschaftslose gewesen, sondern das Gegenteil: «Schwieriger waren emotionale Szenen. Der Tod [von Filmtochter] Alex war herausfordernd.»
Die Rolle des Schurken findet Emerson «interessant», beantwortet er die Frage von 20 Minuten Online, doch wichtiger sei ihm, dass sein Charakter gut geschrieben ist. Nach Drehschluss müsse er jetzt aber aufpassen, dass er «nicht für immer in dieser Rolle gefangen» sei. Auf Hawaii werde er nicht so bald wieder arbeiten: «Meine Frau würde mich umbringen», scherzt der Schauspieler und verrät, dass er zu Hause auch gar nicht probieren muss, den Fiesling raushängen zu lassen: «Meine Frau sagt: `Gib mir nicht den Ben-Blick.?»
Ben tötet in Staffel fünf Jacob. Quelle: YouTube