AgenturchefNicht mehr alle Fotografen im Schrank
Die Beziehung zwischen Promis und Paparazzi ist erstens ein einträgliches und zweitens oftmals ein gegenseitiges Geschäft. Weshalb der Hochzeitsfotograf im Schrank von Madonna trotzdem zu weit ging und weshalb in England abgestürzte Stars besser laufen als in der Schweiz, erklärt Promi-Bilder-Händler Heiko Schönborn im Gespräch mit 20 Minuten Online.
In der Regel herrscht ein Geben und Nehmen zwischen den Parteien vor und hinter der Kamera, erklärt Heiko Schönborn. «Wer in Los Angeles in bestimmte Restaurants geht, weiss, dass dort immer Fotografen warten. Diese Leute wollen gesehen werden.» Schönborn weiss, wovon er spricht. Er ist «der Herr der Promi-Bilder»: Täglich landen Tausende davon auf seinen Schreibtisch. Der 37-Jährige ist Regional-Chef der Online-Agentur «Wenn». Von Berlin aus versorgt er für das britische Mutterhaus den deutschsprachigen Medienraum, schickt seinerseits relevante Schnappschüsse nach London und verbreitet sie so in der Welt.
Das einzige Problem sind die Amateure
Hat er Mitleid mit den abgeschossenen Stars? Gibt es ein Paparazzo-Problem? Schönborn verneint beides, jedenfalls grösstenteils: «Ein Promi-Paparazzo-Problem gibt es eigentlich nur in Los Angeles. Dort laufen jede Menge bekannter Persönlichkeiten herum und leider genau so viele Halb-Professionelle, die das grosse Geschäft wittern», erklärt der Deutsche. «Das Verhalten der Amateure ist genauso mangelhaft wie ihre Ausrüstung. Diese Goldgräber prägen den Ruf der Paparazzi, aber die Darstellung der Verhältnisse ist stark übertrieben.»
Bei Gagen von 100 Dollar pro Bild würden selbst einfache Touristen versuchen, einen vielleicht lukrativen Schnappschuss zu machen, erklärt Schönborn. Oft genug benutzen sie dabei schlechte Geräte: Mit Billig-Kameras müssen sie nah an das Objekt der Begierde heran. Drängeleien sind da vorprogrammiert. «Die Profis können mit ihren Teleobjektiven aus der Ferne bessere Schnappschüsse machen.»
In dem Markt steckt ein Haufen Geld: Die Fotografen der grossen US-Agenturen, die fast ausschliesslich Europäern gehören, verdienen selbst in schlechten Monaten noch 20 000 Dollar. Natürlich gebe es auch unter diesen Professionellen schwarze Schafe: «Ein schlechtes Beispiel ist der Fotograf, der sich in der Kirche, in der Madonna geheiratet hat, in einem Schrank einsperren liess, um in Ruhe zu knipsen.» Doch oft genug würden auch die Medienmenschen vor Ort von alleine sagen: Nein, diese Bilder bringe ich nicht! Das bekannteste Exempel hierfür ist die Todesfahrt von Prinzessin Diana, bei dem diverse üble Unfallfotos gar nicht erst veröffentlicht wurden.
Eine Hand wäscht die andere
«Wenn eine Gwyneth Paltrow 2005 mit der frisch geborenen Tochter Apple vor die Tür tritt, sagt sie: `Ich stelle mich hier kurz hin, ihr macht Fotos und dann gehen wir spazieren.? Dann sind die Paparazzi auch weg, denn sie haben ja gar keinen Grund länger zu bleiben.» Andere Stars nutzen die Macht der Bilder, um ihr Image zu revidieren. Ein Beispiel hierfür ist Tom Cruise, der nach seinem infantilen Liebes-Auftritt bei Oprah Winfrey und ewiger Scientology-Diskussion mit herzigen Kinderbildern von Suri wieder in seriösere Fahrwasser schippern will.
«Stars auf dem Weg nach unten»
Zwischen dem englisch- und dem deutschsprachigen Raum gibt es grosse Unterschiede, unterstreicht der Agenturchef: 50 Prozent der Bilder aus London und den USA sortiert Schönborn aus. «Die britische TV-Sendung X-Factor ist sehr erfolgreich, interessiert hier aber niemanden. Auch die australische Premiere von `Quantum of Solace? ist nicht so relevant.»
Wichtiger sei dagegen, den unterschiedlichen Gewohnheiten Rechnung zu tragen. «Im englischsprachigen Raum laufen Stars auf dem Weg nach unten sehr gut. Weil es mehr Konkurrenz auf dem Boulevard gibt, sind Skandälchen gefragter. In der Schweiz, Deutschland und Österreich interessieren dagegen vor allem neue Liebespaare und Bilder mit einem positiven Grundton, die eine Geschichte erzählen.» Und wo sind seine Späher derzeit unterwegs? «Sarah Connor ist im Moment ein Thema und Brangelina sind wieder in Berlin.» Na dann, gute Jagd!