Linksrutsch bei «24»
Jack Bauer und seine Crew traten in der vierten Staffel der Echtzeitserie «24» nicht nur islamistische Nuklear-Terroristen, sondern auch die Menschenrechte mit Füssen. Der Kurs wurde in seinem fünften Abenteuer wieder nach links korrigiert. Eine Vorschau auf die fünfte Staffel.
Das Überschreiten von Grenzen gehörte von Anfang an zu «24». Ein Mann wie Jack Bauer (grandios gespielt von Kiefer Sutherland) hält sich an kein Gesetz. Wenn er es für nötig hält, erschiesst er schon mal einen wehrlosen Informanten, weil er mit dessen abgetrenntem Kopf das Vertrauen einer terroristischen Gruppe zurückgewinnen will – so geschehen in der zweiten Staffel. Jacks entsetzter Vorgesetzter George Mason stellt ihn sofort zur Rede, worauf Bauer antwortet: «Das ist das Problem mit Leuten wie dir, George. Ihr wollt Resultate, aber ihr wollt euch nie die Hände schmutzig machen Es ist Zeit, dass du dir deine Ärmel hochkrempelst. Ich brauche eine Säge.»
Tabubrüche gehören zu «24» wie der Bart zum Propheten
Mit entwaffnender Ehrlichkeit wurde das bisweilen schockierende Vorgehen der Terroristenjäger vom «Counter Terrorist Unit» (CTU) gezeigt. Jack und seine Leute tun immer, was sie allein für richtig halten, doch die Zuschauer zu Hause durften und konnten auch ganz anderer Meinung sein. «Wir versuchen nicht, ein bestimmtes politisches Programm zu fördern, aber wir streben danach, nie politisch korrekt zu sein», erklärte Joel Surnow, einer der ausführenden Produzenten der Show, gegenüber der «Washington Times». Tabubrüche, etwa beim Thema Folter, gehören daher zu «24» wie der Bart zum Propheten – mit einem Urteil über die begangenen Tabubrüche hielt sich die Sendung aber vornehm zurück.
Nur die vierte Staffel unterscheidet sich in diesem Punkt von ihren Vorgängern. Für einmal ist deutlich erkennbar, dass «24» dem stramm republikanischen Sender «Fox» gehört. Kriegsgegner und Menschenrechtler, das ist die unterschwellige Message, sind gegen Amerika und unterstützen den Terrorismus. So wird etwa der regierungskritische Sohn des Verteidigungsministers als unpatriotischer Schwächling ohne Rückgrat porträtiert: «Verschone mich mit deiner Primarschul-Michael-Moore-Logik!», sagt ihm sein Vater voller Verachtung, und lässt prompt seinen eigenen Sohn foltern.
Entmündigtes Publikum
Noch deutlicher zeigt eine andere Szene den Versuch der Manipulation des Publikums. Ein Team von CTU greift einen Mann auf, der den Aufenthaltsort des Terroristen Marwan kennen soll – der einzigen Spur zum verschwundenen Nuklearsprengkörper. Darauf greift der Top-Terrorist höchstpersönlich zum Telefon und ruft bei der Menschenrechtsorganisation «Amnesty Global» an: US-Beamte hätten einen unschuldigen Bürger verhaftet und planten, diesen zu foltern. Der Amnesty-Anwalt kommt gerade rechtzeitig, um die Folter zu verhindern: Es gibt nämlich keinerlei Beweise für die Schuld des Verhafteten, eines US-Bürgers ohne Vorstrafen. Doch in der Sendung sind gut und böse klar verteilt: Der Menschenrechtler, dieser «schleimige Anwalt», wie er von einem CTU-Mitarbeiter genannt wird, handelt unmoralisch, dessen sind sich alle «Guten» einig. Der neue Präsident ist ebenfalls ein Schwächling, er hört nicht auf den Chef von CTU («Mister President, lassen Sie uns bitte unseren Job machen»). Er zögert, die Folter des Verdächtigen, welche nach geltendem US- und Völkerrecht auch in diesem Fall klar verboten ist, zu sanktionieren. Wertvolle Zeit verstreicht – auch der Zuschauer wird gezwungen, der Folter zuzustimmen, sie wird als einziger Ausweg dargestellt. Die (Er)lösung kommt zum Schluss der Episode: Jack Bauer quittiert kurz seinen Dienst und bricht dem Verdächtigen als Privatmann jeden Finger einzeln, bis dieser auspackt.
Diesmal kommt der Feind von rechts aussen
Die fünfte Staffel (Start: 27 November, 22.45 Uhr, SF zwei, Zweikanalton) schafft solche Zwangs-Situationen wieder ab. Sie setzt auf bewährte Elemente von «24»: Gut und Böse stehen nicht immer fest (kann man dem neuen Boss von CTU trauen? Bis zu welcher Stelle geht die Verschwörung im Weissen Haus?), und die Bösen sind nicht nur Terroristen, sondern kommen auch aus den eigenen Reihen. Die Macher von «24» haben das Kunststück fertig gebracht, dass die Story auch in Staffel fünf an Spannung und Dramatik kaum zu überbieten ist, und nie zuvor mussten so viele beliebte Figuren sterben. Das Publikum kann wieder zurücklehnen und das Spektakel geniessen – niemand schreibt ihm vor, was es zu denken hat, es darf auch für den Feind sein, der diesmal von rechts aussen kommt.
Letzteres hat wohl auch Kiefer Sutherland Freude bereitet: Der linksliberale Schauspieler, ein dezidierter Gegner der Todesstrafe, wurde mit seiner Rolle unfreiwillig zur Kult-Ikone vieler Republikaner. Sutherlands Einfluss auf den Inhalt der Sendung ist aber gering, wie er dem englischen «Guardian» erzählte: «Es gibt politische Aspekte von ‚24' die ich liebe, und solche, die ich hasse. Wenn es in eine Richtung geht, die ich wirklich nicht mag, dann sage ich etwas, und wir arbeiten zusammen. Aber die Texter und Produzenten sitzen ein Stockwerk weiter oben, und für gewöhnlich findet keine Interaktion statt.»
Gabriel Brönnimann