Der tödliche Schönheitswahn

Aktualisiert

Gefährliche SuchtDer tödliche Schönheitswahn

Ihre Rundungen waren ihr Kapital, der Wunsch nach mehr brachte Cora ins Grab. Wenn der Wunsch nach Schönheit tödlich und der Körper zur Baustelle wird.

Bettina Bendiner
von
Bettina Bendiner

Die sechste Brustvergrösserung wurde Cora (†23) zum Verhängnis. Der Erotik-Star erwachte nicht mehr aus der Narkose, fiel ins Koma. Ihr Wunsch nach einer noch grösseren Brust war stärker als die Warnungen der Ärzte. Am Donnerstagnachmittag schlief Cora im Kreise ihrer Liebsten für immer ein. Das Streben nach mehr war ihr Verhängnis. Symptomatisch für eine Zeit, in der ganze Industrien vom vermeintlichen Makel des Einzelnen leben, in der der persönliche Erfolg vom Streben nach Perfektion abzuhängen scheint. Und sich Menschen für den Traum von ewiger Schönheit unters Messer legen oder zu Tode hungern. Coras tragischer Tod ist kein Einzelfall.

Am 5. März 2000 lag Lolo Ferrari (†37) tot in ihrer Wohnung in Grasse (F). Bei der Obduktion stellten Pathologen als Todesursache Ersticken oder Erdrosselung fest. Ihr Ehemann Eric Vigne wurde 2001 wegen Mordverdachts verhaftet und dann wieder freigelassen. Seine Anwälte überzeugten das Gericht von der These, Ferrari sei am Gewicht ihrer Silikonimplantate erstickt. Sie liess sich den Brustumfang in fünf Operationen auf 130 Zentimeter erhöhen, trug auf beiden Seiten drei Kilogramm schwere Kissen, die ein Flugzeugkonstrukteur für sie entworfen hatte. Mit der «grössten Brust Europas» und der «viertgrössten der Welt» kam der Erfolg. Ferrari ergatterte eine eigene Fernsehshow, tingelte durch Talk-Shows. Sie war ein Star. Und bezahlte den Ruhm mit ihrem Leben.

Nicht im Auge des Betrachters

Auch die Gattin des ehemaligen nigerianischen Präsidenten, Stella Obasanjo (†59), starb in einer spanischen Schönheitsklinik auf Marbella. 2005 schenkte sie sich zu ihrem 60. Geburtstag eine Fettabsaugung. Es kam zu Komplikationen. Obasanjo starb. Der behandelnde Arzt kam wegen fahrlässiger Tötung für ein Jahr ins Gefängnis, verlor seine Zulassung und musste 120 000 Euro Schmerzensgeld an den Sohn der Verstorbenen zahlen. Auch gegen Coras Ärzte wird anscheindend ermittelt.

Doch warum setzen Menschen freiwillig ihr Leben aufs Spiel? «2000 bis 5000 Mal pro Woche werden wir mit Bildern digital manipulierter Körper konfrontiert. Diese Bilder vermitteln die Idee eines Körpers, den es in Wirklichkeit gar nicht gibt», schreibt Susie Orbach in ihrem Buch «Bodies – Schlachthof der Schönheit». Die Psychoanalytikerin beschäftigt sich seit 30 Jahren mit der Sucht nach Schönheit. Sie behandelte Prinzessin Diana (†1997) wegen Bulimie. «Ständige ängstliche Selbstbeobachtung und -kontrolle beherrschen viele Menschen vom Aufwachen bis zum Einschlafen», sagte Orbach 2010 in einem Interview mit der Zeitschrift «Focus». Und Statistiken geben ihnen vermeintlich recht. Laut Wissenschaftlern sind schöne Menschen im Leben tatsächlich oft erfolgreicher. Doch Schönheit ist relativ – und liegt eben nicht nur im Auge des Betrachters. So bezeichneten sich laut einer Umfrage gerade mal zehn Prozent der deutschen Frauen als gutaussehend. «Sie können grossartig aussehen, aber sie machen sich trotzdem Sorgen», sagt Orbach.

Im Teufelskreis der Sucht

Grossartig sah auch Ana Carolina aus. Bevor sie ihren 1.74m-Körper auf 40 Kilo runterhungerte. Die Brasilianerin arbeitete erfolgreich als internationales Model. Zuletzt ass sie nur noch Tomaten und Äpfel, die sie laut Angehörigen wieder erbrach. Im November 2006 hielt der geschundene Körper diese Strapazen nicht mehr aus. Und kapitulierte. Ana Carolina starb an akutem Organversagen. Auch für Magersuchts-Ikone Isabelle Caro kam jede Hilfe zu spät. Sie starb im November 2010 an den Folgen ihrer Essstörung. Das Paradoxe: Sie war ein Star. Gerade weil sie nichts ass. Die Krankheit war für Caro Fluch und Segen, mit ihrem knochigen Aussehen sicherte sie sich Werbekampagnen und Bücher-Deals. Ein Teufelskreis.

Der sich weiter dreht. So liessen sich 2010 angeblich rund 50 Prozent der Koreanerinnen ihre Augen operieren, um westlichen Schönheitsidealen nachzueifern. Und als 1995 auf Fidschi die ersten Fernseher liefen, litten plötzlich zwölf Prozent der jungen Mädchen an Bulimie. Das System krankt – und kränkelt weiter. Ein Umdenken ist nötig. Auch wenn es für Cora zu spät käme.

Deine Meinung zählt