Monika LierhausVon der Inszenierung eines Schicksals
Nach Monica Lierhaus' Auftritt bei der «Goldenen Kamera» bleibt ein fader Nachgeschmack: Je mehr Informationen dazu fliessen, desto inszenierter scheint das gewollt menschelnde ZDF-Rührstück.
Lange war Monica Lierhaus von der TV-Bildfläche verschwunden. «Und jetzt kann ich es kaum fassen: Da bin ich», sagte sie dann bei ihrer Rückkehr auf die mediale Bühne. Millionen Zuschauer sahen live, wie die frühere «Sportschau»-Moderatorin mühsam die Bühne betritt, während das ZDF Bilder gerührter Prominenter im Saal einfängt. Als Lierhaus zu sprechen beginnt, redet sie ratternd, monoton und roboterhaft. Ihre Krankheit, das wird brutal klar, hat die Frau krass verändert.
Gestern noch tabu, heute vor Millionen
Was anfangs für den einen oder anderen bloss eine rührende Episode einer Gala ist, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein TV-Kapitel, das einen faden Nachgeschmack hinterlässt. Als die Deutsche im Januar 2009 erkrankte, wollte die Moderatorin keine Öffentlichkeit: Die ARD vermeldete damals bloss, dass die Fussball-Präsentatorin nach einer OP im künstlichen Koma liege und bat um Respekt der Privatsphäre. Nachrichtenagenturen verbreiteten die Pressemitteilung. Was folgte, war eine Abmahnungswelle eines Hamburger Promi-Anwalts.
Warum die Fernsehfrau derart strikt gegen die Berichterstattung vorging, blieb unklar. Lierhaus hatte während einer unumgänglichen Operation eine Hirnblutung erlitten: Es ist nicht so, dass der Schicksalsschlag sie bei einer Schönheitskorrektur getroffen hätte. Die Macher der «Hamburger Morgenpost», die Tausende Euro Schmerzensgeld zahlen musste, dürften sich also wie viele andere Journalisten die Augen gerieben haben, als sich Lierhaus urplötzlich live einem Millionenpublikum präsentiert.
Falsche Liaison
Auch ihre ARD-Kollegen dürften erstaunt gewesen sein: Die «Sportschau»-Redaktion soll laut «Süddeutscher Zeitung» der 40-Jährigen angeboten haben, den Zuschauern zu erklären, was vorgefallen war. Später habe der Sender angefragt, ob sie nicht zur «Bambi»-Verleihung im November 2010 kommen wolle. Lierhaus lehnte laut dem Münchner Blatt ab. Im Oktober habe dann die «Angenehme Unterhaltungs GmbH» angeklopft, die die «Goldene Kamera» produziert: Wieder habe die Patientin Nein zu einem Auftritt gesagt.
An Weihnachten änderte Lierhaus aber offenbar ihre Meinung und sagte zu, einen «Ehrenpreis» anzunehmen. Der «Axel-Springer-Verlag» wurde informiert, dessen Zeitschrift «Hörzu» die Gala ausrichtet – und noch im Dezember soll ein Interview mit der «Bild am Sonntag» vereinbart worden sein, das zwei Wochen vor der Verleihung geführt wurde. Zwei Jahre zuvor war die «Bild» von Lierhaus Anwalt noch abgemahnt worden. Am Tag nach dem Auftritt wartete das Boulevardblatt aber mit einer seitenlangen Geschichte auf: medizinische Details und private Einblicke inklusive.
Volle mediale Breitseite mit Springer
Auch die Springer-Publikation «Die Welt» feierte eine «zu Tränen rührende Rückkehr» der Moderatorin, obwohl einige Zuschauer erschreckt haben dürfte, dass die Frau nach zwei Jahren Rehabilitation offensichtlich noch einen weiten Weg vor sich hat. In der «Bild» schrieb Kolumnist Franz Josef Wagner: «Sie waren die beste Sportreporterin, cool, frech. […] Ich denke, dass Sie heute die noch bessere Monica Lierhaus sind. Die wahre. Die coole. Die Fighterin.» Dem «Bildblog» ist jedoch nicht entgangen, wie der Journalist bei WM 2006 über Lierhaus dachte: «Auch als Expertin für die Bauchspeicheldrüse würden Sie eine gute Figur abgeben. Ihr Fussballgeplapper dagegen ist unterirdisch.»
Wie also kam diese Liaison zwischen Lierhaus, Springer und dem ZDF zustande? Wieso ging die Moderatorin nicht zum ARD-Kollegen Beckmann? Die Macher der Gala wollten einen Coup – und sie haben ihn bekommen. Anstatt denjenigen Promis, die Zeit haben einen Preis in die Hand zu drücken, an den sich nach Monaten niemand mehr erinnert, wird auf den emotionalen Eklat gesetzt. «Ihre Aufgabe war das Auslösen von Emotionen», schrieb der deutsche Medienblog «Ruhrbarone». «Die Tränen der anderen Showbeschäftigten bewiesen, dass man bei Springer mit der Ehrung richtig gelegen hatte.»
«Grösstmögliche Aufmerksamkeit»
Dass Monika Lierhaus um ein Comeback kämpft, ist legitim: Vor dem Ehrgeiz der 40-Jährigen muss man seinen Hut ziehen. Dass das ZDF und Springer ihre Entscheidung dazu nutzten, einer Show einen emotionalen Höhepunkt (und somit jede Menge PR) zu bescheren, macht das ohnehin tragische Schicksal der Frau noch trauriger. Oder wie die «Ruhrbarone» es ausdrücken: «Es war eine neue Form der Scripted Reality.» Ein Kommentator der «Süddeutschen» befindet mit Blick auf die Rothaarige und ihren Partner, den TV-Produzenten Rolf Hellgardt: «Man sieht ein Paar, dem man keinen Vorwurf machen darf. Wer will sich das anmassen? Perfide ist, dass der Springer-Verlag und das ZDF auf diese Unantastbarkeit des Paares Lierhaus/Hellgardt spekulieren.»
Ein Bericht vom NDR-Medienmagazin «Zapp» zum Lierhaus-Auftritt. Quelle: YouTube