Rockstars sind heute clean – auch die Schweizer

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Neue NüchternheitRockstars sind heute clean – auch die Schweizer

Musiker würden heute diszipliniert arbeiten und auf Drogen verzichten, sagt der britische Sänger James Bay. Eine Tendenz, die Schweizer bestätigen.

von
Martin Fischer

Sex, Drugs and Rock'n'Roll sind dem britischen Songwriter James Bay zufolge tot. Zumindest in dieser Kombination. Wie Bay im Interview mit der britischen Zeitung «The Standard» sagt, seien Drogen im Musikbusiness heutzutage «nicht mehr wirklich angesagt».

Wenn er auf der Bühne stehe, müsse er alles im Griff haben. Bay macht einen Vergleich mit Spitzensportlern: «Ich weiss nicht, wie es ist, ein Profifussballer oder ein Leichtathlet zu sein, aber ich denke, wir müssen irgendwie auf dem gleichen Level sein.» Die Leistungs- und Gesundheitsgesellschaft hat also auch die Popstars erfasst – vorbei die wilden Zeiten mit nie endenden Backstage-Partys und ausufernden Aufnahme-Sessions unter Drogeneinfluss.

Baker: «Wer Drogen nimmt, fliegt raus»

Wie erleben Schweizer Musiker diese Entwicklung? Bastian Baker, Posterboy des heimischen Pops und Ex-Profisportler, hat hierzu eine klare Meinung. «Wer Drogen nimmt, fliegt raus», sagte er im November zu 20 Minuten. Auch die Zürcher Musikerin Evelinn Trouble ist zurzeit lieber clean unterwegs: «Ich trinke seit Anfang Jahr keinen Alkohol mehr und hab aufgehört zu kiffen. Ich hab früh mit den Exzessen angefangen, mittlerweile schlägts mir auf die Psyche.»

Sie spüre in ihrem Umfeld «eine Tendenz zur Nüchternheit», sagt Trouble. Bei ihrer Band stehe die Musik ganz klar im Vordergrund. Denn: «Sich im Moment zu verlieren, geht auch ohne Drogen, gerade beim Musikmachen oder Tanzen.»

Camenzind: «Polo und Baschi sind die letzten Rock'n'Roller»

Einer, der das Geschäft in der Schweiz bestens kennt, ist Roman Camenzind: Der Zürcher war als Musiker in den Charts, bevor er mit seinen Hitmill-Studios zu einem der erfolgreichsten Produzenten der Schweiz geworden ist. Er beobachtet dieselbe Entwicklung: «Heutzutage ist die Stimmung am Weihnachtsfest der Firma Fischer Bettwaren in Wädenswil ausgelassener als im Backstagebereich nach einem Rockkonzert.»

Der Hitschreiber bedauert dies: «Es ist bedenklich. In der Schweiz gibt es meines Wissens noch zwei Rock'n'Roller: Polo und Baschi. Die meisten anderen schlürfen nach dem Konzert ein Hagebuttenteeli und rufen ihre Freundin an, um ihr zu berichten, dass sie in einer halben Stunde zu Hause sind und sie morgen zusammen die Yoga-Stunde besuchen können.»

Von Rohr sieht junge Popstars unter «Clean-Fit-Druck»

Apropos Yoga: Krokus-Rocker Chris von Rohr findet, dass ein gesunder Lebensstil die Party ja nicht ausschliesse. «Ein saftiger Absturz zur richtigen Zeit kommt entspannungstechnisch immer gut. Vielleicht nicht gerade am Vorabend eines Auftritts.»

Von Rohr hat die Entwicklung in der Szene über längere Zeit miterlebt, seit den 70ern ist er aktiv. Er findet, dass die junge Garde Popstars heute unter einem regelrechten «Clean-Fit-Druck» arbeiten müsse. Sie würden ihm leid tun. «In dem Alter lässt man es doch krachen», sagt von Rohr.

Als Einziger steuert der Lausanner Rapper Stress gegen, wenn er auch vage bleibt: Die meisten Schweizer Künstler, die er kenne, seien mit Drogen «vertraut».

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