Schawinski vs. Thiel«Er drängte mich antisemitisch in die Ecke»
Die Schawinski-Sendung mit Andreas Thiel wirft hohe Wellen. Im Exklusiv-Interview mit 20 Minuten erklärt der Talker, was ihn so auf die Palme brachte.
Herr Schawinski, Sie haben sich entschuldigt, dass das Gespräch mit Andreas Thiel über den Sender ging. So etwas kennt man gar nicht von Ihnen. Warum haben Sie das gemacht?
Ganz einfach: Weil es ein Fehler war, dass ich mich nicht durchgerungen habe, die Sendung nicht auszustrahlen. So etwas habe ich nämlich in meinen über 40 Jahren als Interviewer nicht gemacht. Es wäre also für mich ein schwerwiegender Entscheid gewesen.
Was haben Sie aus diesem Vorfall gelernt?
Unter Journalisten gibt es zwei Meinungen: Die einen sagen, gewissen Leute sollte man überhaupt keine Plattform bieten. Die anderen meinen, man soll sich mit ihnen auseinandersetzen. Ich verfolgte bisher immer die zweite Linie und scheute keine Auseinandersetzung. So debattiere ich bei Radio 1 jede Woche in der Sendung «Roger gegen Roger» mit Roger Köppel, der fast in allen Punkten ganz andere Ansichten vertritt als ich. Das mache ich, damit sich die Hörer eine eigene Meinung bilden können. Jetzt, nach dieser Sendung mit Andreas Thiel, muss ich meine Ansichten ein Stück weit revidieren.
Warum?
Bei Vertretern extremer Positionen gibt es heute zwei Haltungen. Die einen verweigern sich der Diskussion total, etwa die Chaoten von Zürich oder die deutsche Anti-Islam-Bewegung Pegida. Das ist eine fatale Entwicklung Die anderen nutzen die Medien, um sie zu instrumentalisieren. Sie treten auf, verweigern aber echte Antworten und funktionieren Sendungen um. Nicolas Blancho vom Islamischen Zentralrat ist so einer, Andreas Thiel aus der anderen extremen Ecke ebenfalls. So aber können keine sinnvolle Interviews entstehen. Man kann niemanden zum Tanz zwingen, der sich weigert, die Füsse zu bewegen.
Hätten Sie nicht ahnen können, dass sich das Gespräch so entwickelt?
Thiel hat mich von der ersten Frage an bewusst antisemitisch attackiert und gefragt, ob ich ein «Papierjude» sei. Erstens weiss ich nicht, was dies sein soll. Aber es war klar, dass er mich bewusst provozieren wollte. Er wusste, dass ich bei rassistischen Einwürfen emotional reagieren würde. Ich finde sein Verhalten schändlich.
Haben Sie das nicht erwartet?
So etwas habe ich noch nie erlebt. Und auch nicht gedacht, dass in der Schweiz so etwas möglich ist.
Was hat Sie am meisten provoziert?
Dass er in seiner Rolle als Performer und Clown mit eingefrorenem Lächeln ruhig dasass und ständig rassistische Tiraden von sich gab. Vor allem gegen Moslems. Damit spekuliert er auf Applaus aus der ganz rechten Ecke.
Haben Sie mit Thiel seit der Sendung nochmals gesprochen?
Nein, das werde ich auch nicht tun. Er soll mit seiner permanenten Narrenkappe die Leute zum Lachen bringen und nicht als Hassprediger auftreten, der den Religionsfrieden stört.
Könnte der Vorfall Ihrer Karriere schaden?
Ich verstehe die Frage nicht.
Den Journalisten Heiner Gautschy hat ein ähnliches Gespräch mit «Blick»-Chefredaktor Peter Übersax den Job gekostet. Haben Sie keine Angst, dass Ihnen das auch passieren könnte?
Das war völlig etwas anderes. Was wäre der Vorwurf an mich? Dass ich bei einem in jeder Hinsicht extremen Auftreten meines Gastes emotional geworden bin? Nun, ich habe eine ethische Haltung und lächle nicht einfach alles weg, um sympathisch zu wirken, wie es viele andere tun.