«Die Gemeinschaft ist das Grösste»

Aktualisiert

Praise Camp in Basel«Die Gemeinschaft ist das Grösste»

In der Messe Basel feiern 6400 Jugendliche mit viel Pop Jesus. Die Juso kritisiert, dass an der freikirchlichen Veranstaltung Homophobie eine Plattform geboten würde.

von
Lukas Hausendorf
«Warum gibt uns Gott Lust auf Sex, lange bevor wir's ausleben dürfen?» 6350 jugendliche Christen sind nach Basel ans sechste Praise Camp gekommen, um Antworten zu erhalten. Etwa am Sex-Talk des Camps.
Wenn nicht gerade die Verbindung zu Gott gestärkt wird in Workshops oder gemeinsam die Ekstase am Worship-Pop-Konzert herbeigetanzt wird, kann man auch Shoppen. Bücher oder auch Mode von Labels wie Blessed.
Was am Praise Camp so läuft, wird fortwährend von dutzenden Kameras aufgezeichnet und zu fetzigen Videos zusammengeschnitten. Ob auch hier das Diktum der Medienwissenschaft das Medium ist die Botschaft gilt?
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«Warum gibt uns Gott Lust auf Sex, lange bevor wir's ausleben dürfen?» 6350 jugendliche Christen sind nach Basel ans sechste Praise Camp gekommen, um Antworten zu erhalten. Etwa am Sex-Talk des Camps.

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«Unser Gott liebt Kreativität. Wir können auch Feste für ihn feiern», sagt Tobias. Der 21-Jährige aus Appenzell Ausserrhoden ist zum ersten Mal ans Praise Camp gereist. Bis Neujahr ist er zusammen mit 6349 Gleichgesinnten in der Messe Basel, wo die sechste Ausgabe des Praise Camps stattfindet. Die Veranstaltung wird seit 2002 von mehreren evangelikalen, freikirchlichen Organisationen veranstaltet. Bis vor zwei Jahren fand sie stets in St. Gallen statt. Mittlerweile sprengt die Popularität des Events aber die Kapazität der Olma-Hallen.

Das Praise Camp ist das Evangelium im hippen Kleid der Jugendkultur. Hier spielt Worship Pop, es gibt Ministries und Speed Dating. «Die Nähe zur Jugendkultur ist für mich schon wichtig», sagt Tobias. Es wird «Kingdom Culture» gelebt, so das Motto des diesjährigen Camps. Auch heikle Fragen werden erörtert an Workshops wie «Let's Talk About Sex». Hier sollen die Jugendlichen Antworten erhalten, wie sie ihren Glauben in Einklang mit der Bibel leben können. «Wieso gibt uns Gott Lust auf Sex, lange bevor wirs ausleben dürfen?» Der Gospel der Veranstaltung ist in gesellschaftlichen Fragen konservativ. Sex gibt es idealerweise erst nach der Eheschliessung.

Die Gemeinde wächst rasant

Dass über 6000 Jugendliche für ein christliches Camp mobilisiert werden können, vermag zu erstaunen. Aber Freikirchen sind in der Schweiz am Boomen. Nicht zuletzt weil sie sehr aktiv um neue Mitglieder werben. Eine Studie des Schweizerischen Nationalfonds untersuchte den Boom der sogenannt charismatischen Gemeinschaften und kam zum Schluss: «Missionieren lohnt sich.» Obwohl sie moralisch sehr strikt sind.

Religions- und Sektenexperte Hugo Stamm erstaunt das nicht. «Das Bedürfnis nach religiöser Orientierung ist gerade in Zeiten der Verunsicherung bei sensiblen Personen sehr gross», sagt er. Er vermutet ausserdem, dass viele, gerade Teilnehmer des Camps, in freikirchlichen Familien aufgewachsen sind. «Das reaktionäre Weltbild haben sie quasi mit der Muttermilch aufgesogen.» Das Nachfragen bei zwei Jugendlichen am Camp bestätigt seine Vermutung. Tobias aus dem Appenzell wie auch Melanie (16) aus dem Kanton Bern sind christlich-freikirchlich aufgewachsen.

Mund-zu-Mund Propaganda ist ein Erfolgsrezept, das Praise- Camp-Leiter Peter Reusser hinter dem Boom der Veranstaltung vermutet. «Das zieht. Den Jungen gefällt es hier und sie erzählen es ihren Freunden.» Und die Jungen sind überwältigt. «Die Gemeinschaft ist das Grösste. Es sind alle so echt hier», sagt Melanie.

Kritik von links aussen

Das Camp gefällt aber nicht allen. Die Jungsozialisten kritisierten in einem offenen Brief die Messe Schweiz, den Veranstaltern ihre Räumlichkeiten zu überlassen. Damit böte die Messe Homophobie und rückständigen Rollenbildern eine Plattform. «Wir machen es bestimmt nicht alle perfekt», entgegnet Reusser. Er verweist darauf, dass über 50 kirchliche Organisationen am Praise Camp vertreten sind. Und damit gewiss auch verschiedene Schattierungen des christlichen Weltbilds.

Homosexualität sei sicher kein Kernthema, sagt Boris Eichenberger, Pfarrer der Aarauer Freikirche Vineyard. Er predige aber gegen Ausgrenzung. «Jesus hat niemanden ausgegrenzt.» Und gerade bei Themen wie sozialer Gerechtigkeit sei man doch eigentlich sehr nahe bei den Jungsozialisten.

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