Basler Saubannerzug«Linke Gewalt – Grenzen haben sich erübrigt»
Deutsche Linksautonome verbinden sich mit Basler Chaoten. Wie und warum es dazu kommt, erklärt Linksextremismus-Experte Karsten Dustin Hoffmann im Interview.

Das Internet vernetzt Militante, so Linksextremismus-Experte Karsten Dustin Hoffmann.
Kein Anbieter/zvg.Berliner Hausbesetzer gratulierten den Krawallanten, die in Basel vor rund einem Monat einen Sachschaden von 350'000 Franken angerichtet haben, zu ihren Taten und sprachen den Untersuchungshäftlingen Mut zu. Linksextreme Gruppierungen scheinen gut vernetzt zu sein?
Hoffmann: Das ist korrekt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um organisationelle oder strukturelle Verbindungen, sondern vielmehr um persönliche Kontakte. Man tauscht sich szenenübergreifend aus und übers Internet wird fleissig mitgelesen, was andere Linksautonome so treiben – das interessiert schon. Ich beziehe mich da auf Erfahrungen: Empirische Daten wurden dazu bis anhin nicht erhoben.
Im grenznahen Basel ist es keine Seltenheit, dass deutsche Linksaktivisten in die Schweiz reisen, um zu demonstrieren. Im Umkehrschluss unterstützen Basler ihre deutschen Gleichgesinnten, etwa wenn es darum geht, Pegida-Aufmärsche zu verhindern.
In linksextremen Kreisen haben sich Ländergrenzen seit der Jahrtausendwende erübrigt. Der Zusammenhalt zwischen den unterschiedlich linken Gruppierungen hat deutlich zugenommen.
Weil es aufgrund neuer Mittel einfacher geworden ist, miteinander zu kommunizieren?
Nicht zuletzt deshalb, ja. Hinzu kommen andere Faktoren, etwa die Grenzöffnungen.
Wie fliessend sind die Grenzen? Ist der pflichtbewusste Linksextreme jedes Wochenende unterwegs, um in den Nachbarländern auf die Strasse zu gehen?
Ich befasse mich hauptsächlich mit der Hamburger Szene, stelle aber auch ganz allgemein eine starke Reisebewegung fest. Ländergrenzen stellen kein Hindernis dar, ein 300 bis 400 Kilometer langer Weg wird gerne bestritten, um an einer Demonstration oder Kundgebung teilzunehmen. In diesen Nahbereichen reisen ganze linke Gruppen von A nach B und chartern dafür Busse oder veranstalten Bus-Konvois. Vor allem riesige internationale Anlässe, über die im Vorfeld in den Medien intensiv berichtet wird, bewegen die Massen. Überbewerten sollte man das Ganze jedoch nicht.
Wie meinen Sie das?
Die Szenen sind nach wie vor sehr regional aufgestellt. Der Reisewille überschreitet die 400 Kilometer so gut wie nie. Das sind dann höchstens einzelne Aktivisten, die diese weiten Wege auf sich nehmen.
Gewinnen die einzelnen Gruppen durch den Zusammenhalt an Einfluss? Gerade hinsichtlich der Krawalle werden diese doch durch die internationale Verstärkung gefährlicher.
Ehrlich gesagt hat die Linke die Vernetzung und alle Folgen, die diese mit sich zieht, nicht zu Ende gedacht. Wie damit umzugehen ist, scheint noch nicht klar zu sein. Zurzeit werden die Grenzen ausgelotet. Teils geschieht das auch eher unbeholfen.
Die Basler Chaoten nutzten indymedia.org, um ihre Beweggründe für den Saubannerzug zu kommuniziern. Auf dem selben Netzwerk folgten die Komplimente und Solidaritätsbekundungen der deutschen Kollegen. Welchen Stellenwert hat die Informations-Plattorm unter Linksextremen?
Es gibt natürlich auch andere, kleinere Netzwerke. Keines ist aber so international aufgestellt wie indymedia.org. Es handelt sich um eine Plattform, die auch gerne mal von der linken militanten Seite benutzt wird, um Personendaten zu verletzen oder zu Straftaten aufzurufen. Teilweise überrascht es mich schon, wie gut sie damit durchkommen und wie wenig gegen indymedia unternommen wird. Die Plattform zu sperren, wäre ein erster Schritt. Es muss ja nicht direkt der Server sein, zu dem man keinen Zugang hat, weil er sich im Ausland befindet.